Nach 34 Jahren Halbschwester kennengelernt

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LaLeLu83
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Registriert: 22. August 2010 10:07

Nach 34 Jahren Halbschwester kennengelernt

Beitrag von LaLeLu83 »

Hallo Zusammen,

ich bin nicht meinetwegen hier, sondern wegen meines Lebensgefährten.

Er hat gestern Abend zum ersten Mal auf seine Halbschwester getroffen und ist seitdem völlig aufgelöst. Ich weiß mir nicht zu helfen...

Zur Erläuterung:

Sein Vater und seine Mutter haben sich getrennt, als er kein Jahr alt war. Seine Mutter behauptet, der Vater hätte keinen Kontakt mehr zu ihm gewollt. Jedoch bin ich mir nicht sicher, dass sie nicht die jenige war die diesen aus Egoismus unterbunden hat.

Meine Schwiegermutter lernte relativ zügig einen anderen Mann kennen, und ist bis heute mit ihm verheiratet. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter zusammen. Er ist ein toller "Ersatz-Papa". Der Leibliche wird eigentlich nie erwähnt, wenn dann natürlich nur negativ...

Bis zum gestrigen Abend war mir nicht bewust, wie tief der Schmerz bei meinem Schatz sitz... Ich habe ihn noch nie so gesehen. Seine Schwester war überglücklich ihn getroffen zu haben und wünscht nun Kontakt...

Ist es sinnvoll sich über sie auch dem Erzeuger anzunähern? Oder könnte die Wunde noch größer werden wenn dieser ihn tatsächlich ablehnt?
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Gerda
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Re: Nach 34 Jahren Halbschwester kennengelernt

Beitrag von Gerda »

Liebe Lalelu,

herzlich willkommen hier im Forum! :winken:

Deine abschließenden Fragen verstehe ich nicht in dem Zusammenhang damit, dass dein Mann so aufgelöst ist, dass er gestern seine Halbschwester kennengelernt hat. Erst mal geht es doch darum, den Kontakt zu der Halbschwester zu "verarbeiten" und ihn auch evt zu genießen und vielleicht auch noch mehr Kontakt zu ihr aufzubauen. oder nicht? Und wenn der Kontakt schon so aufwühlend ist, vielleicht ist es dann angesagt, erst mal langsam sich der ganzen Thematik anzunähern und sich Zeit zu lassen? Vielleicht entwickelt sich ein Kontakt zu dem leiblichen Vater ganz natürlich daraus, dass erst mal der Kontakt zur Halbschwester entstanden ist und möglicherweise noch weiter entsteht. ich habe eine Freundin, die ist adoptiert worden und als sie ihren leiblichen Vater kennenlernte, hat er sie sozusagen emotional als Kind angenommen, und das ist seit dem sehr schön für sie. Vielleicht hat ja auch die Schwester Einschätzungen, wie der leibliche Vater zu ihm steht, was er für ein Mensch ist und ob er überhaupt für ein Kennenlernen aufgeschlossen und sensibel genug wäre?

Ich verstehe gut, dass es ungewöhnlich scheint, dass er nach so langer Zeit und zu so einem Anlass so aufgewühlt ist. Ist es das für ihn vielleicht auch? Ist es für ihn vielleicht auch unerklärlich, dass er so aufgewühlt ist?

Vielleicht magst du noch mehr über das schreiben, was er erzählt, was in ihm angestoßen ist, was er fühlt, was genau ihn bewegt. Ist es eher Freude oder eher Trauer, die ihn bewegen?

Ich stelle es mir so vor, dass es sehr schwer ist, wenn man seinen Vater nicht kennt, dass man sich dann immer fragt, wer bin ich eigentlich? warum bin ich so, wie ich bin? was habe ich von meinem Vater, was von meiner Mutter, welche Gene, welche Eigenarten. Außerdem muss es für ein Kind, das seinen Vater nicht kennt und dessen Vater nicht gewertschätzt wurde während seines ganzen Lebens, sehr schwer sein, weil es ja weiß, dass es zur Hälfte aus demjenigen besteht, der so gehassst oder so wenig geachtet wird, und das muss etwas sehr Schmerzhaftes sein. Man wird dann als Kind instrumentalisiert dafür, den Vater schlecht zu finden, weil die Mutter ihn so findet.
Und schließlich ist es auch sehr traurig, ohne leiblichen Vater aufzuwachsen und da ist oft viel unerkannter Schmerz vorhanden, der dann zu so einem Anlass ausbrechen kann.

Kannst du damit etwas anfangen? Wie gesagt, schreibe gerne noch mehr, auch noch mehr Fragen, die da sind.
Zum Schluss noch eine Anmerkung, die vielleicht überflüssig ist, aber ich schreibe sie doch mal. wenn es nicht passst, bitte einfach vergessen: Das Wort "Erzeuger" klingt für mich wenig wertschätzend, eher abwertend. Damit würde man für mein Gefühl die Entwertung durch die Mutter fortsetzen. ich bevorzuge das Wort "leiblicher Vater", weil das mir eher neutral vorkommt.

Liebe Grüße
Gerda
"Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte, und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“

Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst.
LaLeLu83
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Re: Nach 34 Jahren Halbschwester kennengelernt

Beitrag von LaLeLu83 »

Hallo Gerda,

vielen Dank für die Antwort.

Du triffst mit dem was Du schreibst, den Nagel auf den Kopf!!!

Wie gesagt, war sein Vater zwischen uns nie ein Thema, wenn ich versuchte mit ihm darüber zu sprechen, blockte er ab, mit der Begründung, sein Vater wäre nur sein Erzeuger (deshalb meine Wortwahl).

Durch seine Schwester wurde er nun das erste Mal mit seinem Schmerz konfrontiert und brach dadurch völlig zusammen. Ich würde sagen es war Wut und Hass die da aus ihm sprachen: Er sagte immer wieder: 34 Jahre habe ich ihn nicht interessiert, er hat so of die Chance gehabt mich zu treffen sich zu kümmern. Tatsächlich war er selbst überrascht, wie tief es ihn bewegte.

Seine Schwester sagte zu ihm, er sei seinem Vater sehr ähnlich, das traf ihn noch mehr...

Ich muss dem Problem noch hinzufügen, dass wir seit zwei Jahren bei Therapeuten, Heilpraktikern etc in Behandlung sind. Unser Problem besteht darin, das mein Lebensgefährte (in einer festen Beziehung!) nicht mit seiner Partnerin schlafen kann. Ein Therapeut nannte es Verlustangst. Wir hielten das damals für Quatsch, jedoch könnte es wohl tatsächlich das Problem sein...

Ich würde ihm so sehr wünschen, dass er seine "andere Familie" kennenlernt.

Am Freitag besucht uns seine Schwester und bringt auf seinen Wunsch Fotos vom gemeinsamen Vater mit, ich habe Angst, dass es ihm wieder so schlecht gehen wird...
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Gerda
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Re: Nach 34 Jahren Halbschwester kennengelernt

Beitrag von Gerda »

Liebe Lalelu,

das ist sehr interessant, dass Dein Lebensgefährte nach so langer Zeit, nach 34 Jahren, plötzlich so heftige Gefühle entwickeln kann. Mir kommt das gut vor. Mir kommt es so vor, als habe er alles, was mit dem Verlust des Vaters und dessen Verschwinden zu tun hat, vollkommen verdrängt oder abgespalten und als sei es erst durch den Kontakt mit der Halbschwester hochgekommen. Es muss auch der Schwester gegenüber möglicherweise ein riesiger Eifersuchtsschmerz sein, stelle ich mir vor. Sie hat der Vater angenommen als Kind, ihn nicht. Das stelle ich mir wie ein schlimmes Trauma vor.

Schön, dass du an seiner Seite bist und ihn begleitest. Gut, dass Ihr therapeutische Unterstützung habt. Es wäre schön, wenn sich aus dieser Situation etwas schönes Neues entwickeln könnte. Viel lebendige Energie scheint ja da zu sein, wenn da so viel Wut und Hass aufbrachen.

Alles Gute!
Liebe Grüße
Gerda
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