Hilflos

Der Treffpunk für Alleinerziehende und Patchworkfamilien. Hier können Erfahrungen und Sorgen ausgetauscht werden.
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Ansa
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Hilflos

Beitrag von Ansa »

Guten Morgen Ihr Lieben,

bei uns geht es ganz schön drunter und drüber...... aber ich merke immer mehr, dass das größte Problem bei dieser Sache wohl ich selbst bin, bzw. ich selbst es habe.

Meine Tochter (sie wird am 1. August 18) hat sich einer Evangeliumschristengemeinde angeschlossen und ist nun, auf Teufel komm raus (das passt so schön und trifft es gut) bemüht, von jetzt auf gleich eine gute Christin zu sein. Bibeltreu - streng Bibeltreu natürlich. Ich will nicht sagen, das ihre Gemeinde fundamentalistisch ist, aber doch, sehr orthodox.

Sie neigt zu so etwas, ich habe den Eindruck, das sie dort Verbindlichkeiten und Sicherheiten findet, die sie, bei meiner aufgeschlossenen und liberalen Familie (alles ist möglich) nicht findet. Ich diskutiere mit ihr über "richtig" und "falsch", zeige Wahlmöglichkeiten und Entscheidungshilfen auf, aber ich hab nie klar gesagt "Ne - das ist falsch!" Wie auch, wenn es z.B. um Lebensentscheidungen wie Scheidung oder Homosexualtität geht. Das ist in ihrer Gemeinde ganz einfach, es ist falsch! Da muss man auch nicht drüber nachdenken.

Sie ist ein sehr heftiges Kind und hat beinahe 16 Jahre lang in ihrem Zimmer gesessen - als sie dann die Welt draußen entdeckte - war es diese Gruppe in die sie geriet. Sie haben sie angenommen, wie sie ist (obgleich sie dort natürlich niemals den Ton wagt, mit dem sie uns regelemtiert oder schreit bzw. sich entzieht), als ziemlich erwachsenen junge Frau, was ihr sehr gefallen hat. Ich kann verstehen, dass das ein schönes Erleben ist. Dort ist sie nicht xxx mit diesen oder jenen Macken, dort hat sie neu anfangen dürfen.......... als Persönlichkeit.

Oft genug kommt sie dann, angespannt von dem, ich empfinde das so, "sich so benehmen, wie ich sein will", was sehr anstrengend sein kann - nach Hause und ist völlig fertig. Jedes Wort ist zuviel. Selbst als ich die Tür geöffnet habe und gesagt hab "Schön, das Du wieder da bist" hat sie mich angebrüllt "was ich denn jetzt wieder sagen wollte.........." eigentlich nichts, außer das ich mich gefreut hab, das sie nach Hause kam. Hmh?

Wir streiten sehr oft, über solche Aussagen von ihr "weißt Du, in meiner Gemeinde ist jemand, die bewundere ich total, weil sie so fest in ihrem Glauben ist. Ihr ist der Mann weg gelaufen (und natürlich ausgeschlossen worden - Ehebruch ist Undenkbar und eine große Sünde!) und lebt mit einer anderen Frau zusammen. Sie ist zu ihren Eltern zurück gekehrt (allein das find ich fragwürdig) und betet nun jeden Tag zu Gott, das er ihr ihren Mann zurück schickt (bei dem Gedanken fall ich schon ins Koma)." Und wenn ich dann versuche aufzuzeigen, wie das im Alltag aussehen soll und wie lang die Frau das tun soll bzw. tun will (na bis an ihr Lebensende, denn die Ehe ist heilig), dann kracht es gewaltig - mir ist schon klar das mein Kind wie eine Blinde von Farben redet, aber ihre Verbohrtheit macht mir Angst.

Und nun will sie, auf Biegen und Brechen, an die Wörtlichkeit der Bibel glauben, ihre Gemeinde hält eine ganz bestimmte Ausgabe (eine Übersetzung aus dem 1. Jahrhundert) für DIE Bibel, alle anderen sind nebensächlich. Allein sowas ist mir absolut unverständlich und irgendwie scheint es mir, seltsam.... aber gut. Nur, das sie, obgleich sie humanistisch erzogen worden ist und wir sehr naturwissenschaftlich eingestellt sind, nun glauben will, das Adam und Eva und die große Flut alles wortwörtlich zu nehmen ist, die Erde ist also in 6 (exakten 24 Std. Tagen) erschaffen worden, so wie sie ist, eine Entwicklung (nach Darwin etwa) ist ketzerisch und das gesamte Alter ist ca. 10.000 Jahre (nix mit Millionen). Was so nebensächlich scheinen könnte, gibt aber immer wieder Anlass zu blödsinnigen Aussagen, so dass ich mich, um Streit zu vermeiden, schon dabei ertappe, genau zu überlegen, ob ich was sage oder besser nicht.

Nicht wie neulich, als ich unbedarft sagte "na klar, die ägyptische Mythologie ist ja auch spannend, alle abendländischen Religionen begründen sich ursprünglich in ihr", aus so etwas entsteht wirklich und wahrhaftig Krach, aber ernsthafter Krach.

Ich merke immer mehr, das ich damit nicht umgehen kann, das mir mein eigenes Kind fremd wird und das ich mich gefühlsmässig von ihr zurück ziehe. Sie bzw. vieles von ihr berührt mich nicht mehr so, wie es einmal war. Das ängstigt mich. Und, ich spüre immer mehr, das mir ihre Verhalten einfach und schlicht "dumm" vor kommt, jemand der so unbedingt an etwas SO Unlogisches glauben will? Wie aber kann mein Kind so dämlich sein? Und dann erschrecke ich bei dem Gedanken, das ich so von meienr Tochter denke? Irgendwo liebe ich sie doch - aber ich verliere das Gefühl und natürlich spürt sie das, ich hab den Eindruck, ich stecke in einem Kreislauf, aus dem ich nicht heraus komme.....

Wie würdet Ihr mit so etwas umgehen, bzw. habt Ihr eine Idee, was mich so anfasst? Ich könnte ja gelassen sein und mich darauf nicht einlassen und Diskussionen beenden - aber ich krieg das einfach nicht hin............

Nachdenkliche Grüße
Ansa
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Gerda
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Re: Hilflos

Beitrag von Gerda »

Liebe Ansa,

ich fühle ich ratlos deiner Frage gegenüber. Ich habe so etwas noch nicht im Ansatz erlebt und auch nicht gehört von anderen und habe dazu keine Meinung.

Ich kann es auf der einen SEite nicht ernst nehmen, denn deine Tochter scheitert ja in Eurer Familie als allererste. "Du sollst Vater und Mutter ehren" steht in der Bibel und davon tut sie nichts, wenn sie dich anschreit oder dir Vorwürfe macht.

Andererseits klingt es für mich auch bedenklich vor allem die Weldfremdheit dieser Verdummungen, die dort bei ihr ankommen.

Es fühlt sich aber auch für mich so an, als sei es das "gefundene Fressen" für eine Heranwachsende, die sich abnabeln will. Mit der Gemeinde hat sie etwas gefunden, womit sie dich völlig treffen und auf Abstand bringen kann. So wie ich es mit Parka, Boots und Jeans gemacht habe - was vergleichsweise harmlos war, aber von der Qualität, wie meine Eltern das damals wahrgenommen haben verstieß es eben auch so massiv gegen ihre Werte, wie deine Tocher gegen deine Werte verstößt.

Das, was du da schreibst läßt mich auch bang fragen, inwieweit es dich da um eine Sekte handelt und um religiösen Mißbrauch von Jugendlichen. Jedenfalls ist da etwas Spaltendes, was durch diese Religionsausübung geschieht, und das fühlt sich ungesund an.

Letztlich kannst du aber sicher gar nichts tun, um sie davon weg zu bringen. Ich glaube aber, dass du es akzeptieren musst, und je mehr du dagegen sprichst, desto mehr wirst du sie vermutlich dahinein drängen. Vielleicht gibt es etwas, worauf du trotz all dem Indoktriniertwerden durch die Gemeinde vertrauen kannst? du hast ihr ja viel mitgegeben?

Ich kann auch verstehen, dass sie ein so großes Bedürfnis nach einer klaren Struktur hat, was richtig und was falsch ist, nachdem sie so viel Hickhack mit ihrem Vater erlebt hat.

Und ich weiß auch, dass es für solches Alter und solche Themen keinen Rat gibt, weil du sie als Mutter am besten kennst und auch am besten fühlen wirst, wie es gehen kann mit diesem schwierigen Thema. Aber ich stelle mir vor, dass es am wichtigsten ist, dass du das tust, sagst, zurückgibst, wonach es dir ist und was sich für dich stimmig anfühlt. Wenn sie z. B. solche abstrusen Ideen bringt, die verlassene Frau solle nur noch beten, dass der Mann zurück kommt, dann sagst du, wie du es für dich fühlst und dass das außerdem niemanden etwas angeht, außer dich selbst.

Eine "erzieherische" Haltung ihr gegeüber könnte noch sein, ihr klar zu machen, dass sie jede Meinung haben darf, die sie möchte und richtig findet, dass sie aber nicht das Recht hat, anderen diese Meinung aufzuzwingen und dass du erwartet, dass sie deine Haltungen so respektiert, wie sie möchte, dass ihre Haltungen respektiert werden.

In diesem Alter ist nichts mehr möglich, glaube ich. Einfluß nehmen geht nicht mehr. Es sind aber sicher sehr viele Dinge passiert in ihrem Leben mit dir und Euch, das Spuren hinterlassen hat und das noch wirken wird, auch wenn es jetzt nicht sichtbar ist. Kannst du darauf vertrauen?

liebe Grüße
Gerda
"Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte, und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“

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Ansa
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Re: Hilflos

Beitrag von Ansa »

Liebe Gerda,

*seuftz* ich bin so verwirrt....... gestern Abend hatten wir unseren "Christianeabend" und da wir ein sehr kleiner Kreis waren, habe ich das Thema eingebracht. Auch hier war der Konsens der, das ich diejenige bin, die ihre Meinung verändern muss oder ihre Einstellung überprüfen muss. Und damit tue ich mich schwer, denn ich kann einfach nicht alles tolerieren und akzeptieren.

Ich hab Kopfkino, das ist mir klar, ich denke über Dinge nach, die momentan völlig unrelevant sind, und doch, sie bewegen mich. So, als stehe auch meine Lebensplanung irgendwie vor einer Krise?

Ich sagte gestern, es hätte mich wenig gestört, wenn sie in die Punkerszene abgedriftet wäre, was man mir nicht glaubte. Das hat mich mitgenommen - aber ich kann doch da für mich differenzieren. Punkerszene ist Jugendkultur, das gibt sich wieder - das hätte ich vermutlich locker ausgesssen? Glaube ich jedenfalls und das man mir das so nicht glauben mag, verwirrt mich. Ebenso fragte man mich, was, wenn sie mit einem Mädchen als Lebenspartnerin kommen würde? Das ich sagte, damit hätte ich kein Problem, glaubte man mir auch nicht. Das Beispiel kam, weil ich eben sagte, diese Szene ist keine Jugendkultur.....und Homosexualtiät würde keine solchen Weltanschauungen in Gang setzen. Na ja, ich schreib das mal, denke aber nicht weiter darüber nach. Ich weiß, das ich mit solchen Dingen weniger Probleme gehabt hätte.

Die Kirche in die sie geht, hat deutsche Wurzeln aus Russland. Die meisten Familien dieser Kirche kommen aus Russland und sind Angehörige und Kinder deutscher Auswanderer. Meine Generation ist dort noch geboren worden und hat die ersten Jahre dort gelebt. Sie kennen, im Gegensatz zu uns, Not und Verfolgung - dort waren sie nicht russisch, hier sind sie nicht deutsch. Ihren Glauben aber haben sie über die Jahrhunderte (?) behalten, das haben sie mitgenommen und fest gehalten (wie Minderheiten das im Ausland so allgemein tun, ich kenne das auch aus Südafrika, wo man Glauben so lebt, wie weiland hier um Celle 1845, keine Veränderung, keine lebendige Tradition - Weitergabe der Asche, nicht des Feuers). Die Menschen sind fleissig und aufrecht, sie leben offen Familie und haben doch eine recht deutliche Trennung zwischen Mann und Frau. Zwar behauptet mein Kind, das sei alles gleichwertig, aber das sehe ich nicht so.

Der Liebste jedenfalls will sie aufs Motorrad bringen - und dann sehen, wie die Gemeinde reagiert? Stiller Protest - ich halt mich raus, noch hat sie keinen Führerschein......... aber sie hat einen starken Freiheitstrieb, immer gehabt - und jetzt? Ordnet sie sich unter und ein, etwas, das sie hier nie gelebt hat? Einzig weil sie das will - und das besorgt mich einfach.

Nein, Sekte nicht, nur sehr orthodoxe Kirche und das mit fundamentalistischem Einschlag aber ohne Fanatismus. Ihre Gemeinde ist da sogar noch recht gemäßigt und die Mädchen, die in dem Kontext aufgewachsen sind, proben den Aufstand anders. Mit Mini und High Heels und Schulterzucken "von der Länge des Rockes steht nichts in der Bibel", meine Tochter verurteilt das - keine Frage. Andere Dinge machen mir mehr Angst, diese urchristliche Einstellung, der Mensch ist von Geburt an schlecht und sündig, hat mich schon immer auf die Palme gebacht. Und da sie sich selbst noicht so besonders gut leiden kann, verstärkt sich da etwas, gegen das ich als Mutter schon lange anarbeite, jetzt erfolglos.

Die Mädchen die sie mitbringt, sind alle nicht so vernagelt wie sie selbst, oder aber, sie haben gelernt, darüber nicht zu reden? Aber sie scheinen offen und treffen andere Aussagen als méin Kind. So sagt die eine, "es geht nur darum, einen festen Platz für Gott in Deinem Alltag zu finden, nicht um die strikte Festhaltung an dieser Gemeinde." Gefällt mir schon besser....

Abgrenzung? Vielleicht ist es einfach nur das und mir wird deutlich und deutlicher, das es schwerer wird, je mehr ich dagegen bin - nur ihre Forderung, "ich will aber, das Du gut findest, was ich mache" die werde ich nie erfüllen. Find ich nicht und ich wäre nicht ich, wenn ich die biegen würde. Es gibt Grenzen, und ich denke auch, sie muss lernen, das mich Worte wie "Ungläubige" oder "Antichrist" sehr verletzen, das ist was anderes, als "Dumpfbacke" oder "Blöde Kuh", darüber kann ich weg sehen (wobei das hier keiner sagt), aber über das andere eben nicht.

Jedenfalls soll ich nicht mein Kind ablehnen, sondern nur ihren Glauben - und genau diese Trennung fällt mir schwer und schwerer. Denn sie wird mehr und mehr zu ihrem Glauben, ohne Lebenserfahrung und jedwedes eigenes Empfinden. Ich soll nicht diskutieren, sondern ihre Meinung als gleichberechtigt neben der meinen stehen lassen - und das empfinde ich als unglaublich schwer. Es gibt wenig, dem ich nicht tolerant begegnen kann, auch solchen christlichen Gemeinschaften gegenüber - aber eben nicht in meiner eigenen Familie?!

Ihr Gespür ist da untrüglich, ich glaub, sie hat das einzige (nein, Rechtsradikalismus wäre auch eine solche Option gewesen) gefunden, das den Liebsten und mich an unsere Grenzen bringt. Für uns sind Akzeptanz und Toleranz unabdingbare Werte - für sie eine Gefahr. Ich muss nachdenken, ob ich damit umgehen kann und wenn ja wie und wenn nein, auch wie.

Das sie die klare Struktur, die einem auch das persönliche Denken abnimmt, schätzt, das verstehe ich hingegen sehr gut - ich verstehe aber nicht, das sie nicht nach links und rechts schaut, um zu prüfen, was sie hat.

Traurige Grüße
Ansa
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sonnenschein2
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Re: Hilflos

Beitrag von sonnenschein2 »

Liebe Ansa,

fühl dich von mir gedrückt wenn du magst. Ich kann dir auch nicht so wirklich weiterhelfen, schließlich bist du die Fachfrau hier.. :winken:

Aber, ich möchte deine Worte mal aufgreifen, villeicht kann deine Tochter im Augenblick gar nicht nach links und rechts gucken? Vielleicht ist ihr die Freiheit, die sie bei euch leben darf zuviel? Vielleicht möchte sie nicht mehr wählen, sondern einfach das Denken abgenommen bekommen, weil es sie überforder? Könnte das so sein? Sie erlebt in der Kirche und in ihrem Glauben Regeln und Gesetze, die sie zurzeit nicht als Einschränkung wahrnimmt, sondern vielleicht als Erleichterung?

Du sagst mit "dumme Kuh" könntest du leben...warum dann nicht mit "Antichrist"? Du weißt doch, dass es nicht so ist.
Was kannst du dir vorstellen könnte dir helfen?

Und dann denke ich noch, es ist ihr Weg, den sie gehen möchte. Du kannst sie nicht daran hindern, denn sie ist frei diesen Weg zu gehen. Hast du sie nicht so erzogen, frei zu sei und zu gehen? Vielleicht hat sie dort im Moment ihren Platz gefunden, aus welchen Gründen auch immer. Für mich ist es eine gruselige Vorstellung mich hinzusetzen und zu beten, dass mein Mann zu mir zurück kommt. Aber auch diese Frau tut dies aus freien Stücken. Sie hat die Wahl diesen Glauben zu leben. Vielleicht erfährt auch sie dadurch Trost und Sicherheit. Wer weiß...

Wir können uns das nicht vorstellen und ich verstehe deine Sorge nur zu gut. Aber manchmal sollte oder muß man Dinge einfach annehmen und sie laufen lassen.

Ganz liebe Grüße und ganz viel Trost und Kraft für dich, du Liebe
Sonnenschein2
Bolz
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Re: Hilflos

Beitrag von Bolz »

Hallo Ansa,

ich hab mal versucht mich zu erinnern, wei ich als Teenie so gedacht habe, ist ja schon ne Weile her. Ich versuchs mal einfach so ausszudrücken wie ich es einer Freundin erzählen würde.

Was mich ungläubis den Kopf schütteln lässt ist die Art Deiner Reaktion. Wie ein Missionar "laborierst" Du seit wohl schon längerer Zeit, wie ich Deine Postings mitbekomme. Immer mit einem "Sozialarbeiter" Verständnis, das für mich total überzogen wirkt. Da verletzt dich ein Mensch immer und immer wieder und Du bringst Verständnis auf. Und mit "blöde Kuh" könntest Du sogar leben...

Für mich kommst Du so rüber wie das Kind, das lieber Schläge bezieht, als keine Aufmerksamkeit zu bekommen. Irgendwann muss sie doch mal an Deine Grenzen stossen, sie bemüht sich doch schon nach Kräften darum diese zu finden. Auch wenn sie Deine Tochter ist kannst Du Dich doch nicht so behandeln lassen. Sie brüllt Dich an wenn Du sie begrüßt ? Die würde ich zu ihrer Kirchengesellschaft schicken, sich da so benehmen. und zwar sofort. Raus! Und komm wieder wenn Du wieder normal bist...

Du sorgst für alles und sie tritt Dich so gut sie kann ? Sie wird eh tun was sie will und wenn Du es missbilligst um so mehr. Bei ihren Leuten scheint sie ja genau zu wissen, dass die sich nicht so von ihr behandeln lassen würden. Wenn sie sich da benehmen kann, wieso tritt sie Dich so ? Weil Du Dich immer wieder um sie bemühst und Verständnis mit allen verfügbaren, erfundenen Rechtfertigungen aufbringst, egal wie weit hergeholt. Und nicht links oder rechts gucken ? Bei Dir vielleicht, bei den anderen kann sie sich ja benehmen sagst Du. Soll sie doch glauben die Menschen sind aus einer Rippe oder sonstwas. Du bist real und Du wirst verletzt, was ihr nicht zusteht. Sie muss sich ja gar nicht um Euch bemühen, ihr lauft ihr ja hinterher egal was sie macht...

Würde mich doch mal interessieren, wenn sie nicht mal nur zum Spaß zu ihren Kirchentreffen geht, sondern deren Hilfe braucht, weil Du sie so nicht mehr akzeptierst. Sind die Kirchenleute auch Nachts um zwei für sie da, wenn Du für sie aufstehen würdest ? Aus dem sicheren Hafen heraus sind die "Freunde" immer toll...

Grüße
Bolz
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Gerda
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Re: Hilflos

Beitrag von Gerda »

Liebe Ansa,

puh, das muss sehr traurig sein, wenn du dich so sehr in Krise fühlst mit deiner Beziehung zu deiner 'Tochter und dann der so nahe vertraute "Christiandeabendkreis" dir noch nicht mal mehr glaubt. Ich glaube dir sofort. Mein Sohn ist mit 15/16 nmit Vorliebe in besetzten Häusern mit Punks gewesen, und das konnte ich gut akzeptieren. Ich habe immer geguckt, worauf kann ich vertrauen und ich bekam mit, dass es darum ging, dass er Freiheit erfährt, etwas erlebt, was nicht zu meinem Erfahrungsbereich gehört, dass er aber immer weiter in gutem Kontakt mit mir blieb. Wenn eines meiner Kinder homosexuell geworden wäre, das hätte sogar in mir viel Unterstützungsbereitschaft angestoßen. Also da glaube ich dir, so wie ich dich kennengelernt habe, total.

Bei meinen Kindern war es für sie sehr schwer, etwas zu finden, was für mich nicht akzeptabel war. Es waren schließlich unglaublich dreckige kaputte Klamotten, in denen mein ältester Sohn rumlief. So dreckig, wie ich noch nicht mal Aufnehmer rumliegen gelassen hätte. Das hat mir schwer zu schaffen gemacht, traf mich aber letztlich nicht so existenziell, wie mich das treffen würde mit dieser Kirche. Und ich habe mich immer damit getröstet, dass er nicht zu den Nazis gegangen ist, was für mich das Schlimmste gewesen wäre.

Was ich mich frage, ist, warum du dich so hilflos verhältst mit deiner Tochter und du dich so knicken läßt in deiner Klarheit und Geradelinigkeit, wenn es um Glauben geht. "Antichrist" - du könntest da doch drüber stehen und sagen, "halt mal bloss den Mund, wer seine Mutter anschreit zur Begrüßung darf mit solchen Begriffen nicht um sich schmeißen". Rührt sie - neben allem anderen, was die brutalen kleinen und großen Unverschämtheiten einer Heranwachsenden ausmacht - an eine eigene "religiöse Wunde" in dir???

Denn normalerweise kannst du doch mit solchen Haltungen sehr ruhig und kompetent umgehen, wenn sie urteilen "niemand darf über jemanden urteilen und du schon mal gar nicht über mich".

Ja, es ist schwer, aber du musst sie in meinen Augen lassen, das zu tun, was sie entschieden hat. Gleichzeitig würde ich aber keinen Hehl daraus machen, was mich daran stört und womit ich nichts zu tun haben möchte. Z. B. mit solchen Erwartungen, dass ich jetzt in die Ecke gehe und bete, dass mein Mann wieder kommt. Ich würde ihr auch sagen, wie es sich für mich anfühlt, dass sie so etwas auch noch gut findet. Ich persönlcih wäre einfach nur entsetzt, wenn meine Tochter sich für solchen Unsinn interessieren würde und würde ihr das auch sagen, und zwar ziemlich wütend.

Auf mich wirkt dieses religiöse Getue auch wie so eine pubertäre Überheblichkeit. Ich habe als Jugendliche mit allen, mit denen ich zu tun hatte, immer in das Rohr getrrötet, dass die Erwachsenen so spießig seien. Alles, was irgendwie in diese jugendlichen Werte nicht passte, war spießig. Und so klingt es für mich, wenn sie "Antichrist" sagt.

Liebe Ansa, lass dich mal :umarmen:

liebe Grüße von
Gerda
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Re: Hilflos

Beitrag von Ansa »

Ihr Lieben,

nicht, dass das falsch verstanden wird, Schimpfworte untereinander gehören nicht in unseren Alltag oder zu unserem Umgangston. Ich wollte mit dem Vergleich "damit könnte ich soagr leben" deutlich machen, das ich unterscheide zwischen Beschimpfungen, die in der Hitze des Gefechts durchaus möglich wären und diskriminierenden Äußerungen wie Antichrist. Das ist sicher auch eine Umsetzung meinerseits. Antichrist ist für mich das absolute Böse, Satan - also etwas, das gar nicht geht.

Selbstverständlich bekommen alle meine Kinder eine deutliche Grenze, wenn sie sich im Ton vergreifen. Das dulde ich nicht, das entspricht nicht meinem Familienmodell und hat auch nichts mit Verständnis zu tun oder nicht. Selbst wenn sie Papa oder seine Liebste beschimpfen, dulde ich das nicht, Worte werden zu Gedanken und Gedanken zu Handlungen........ und wenn sie dann später einander gegenüber stehen, haben sie ein schlechtes Gewissen und schämen sich, muss ja nicht sein.

Das "laufen lassen" ist eben etwas, das unvorstellbar schwer ist, denn ihr Glaube betrifft ja mittlerweile den ganzen Alltag, egal ob es um Ausschnitte geht, um Durchsichtigkeit von Stoffen, um Fragen zum Tagesgeschehen aus der Zeitung - alles worüber wir familientechnisch gesehen reden, reizt sie zur Diskussion, selbst wenn ich mich entziehe und sage "Das kannst Du gern denken, aber ich sehe das anders," reagiert sie - ja, irgendwie "über". Es geht ihr um Provokation, keine Frage, aber sie bewegt sich auf gefährlichem Terrain.

Und, hat so eine Frau die Wahl? Hat sie nicht von klein auf, von Kind an, gehört und das ist eine tiefe und beinahe unumstössliche Sozialisation "DAS ist unrecht!" Hat sie nicht nur Menschen innerhalb ihres Glaubenskreises, weil sie kaum eine Chance hatte, ausserhalb Freundinnen zu finden, wirklich nahestehende Menschen? Hat sie die freie Wahl? Nach all dem was ich gelernt habe, bezweifele ich das zutiefst. Hört sich nicht das einzig tröstliche, "Du verhältst Dich gottgefällig....." Sie muss ja nicht darüber nachdenken, was ihr Anteil ist, denn durch das Weggehen ihres Mannes (egal aus welchem Grund auch immer) ist sie die Bedauernswerte..... und unschuldig, denn den Ehebruch hat er begangen, allein? Ich glaube am Ende doch daran, das solche Entwicklungen eine Sache von zwei Menschen sind. Aber das darf ich nicht erwähnen - denn dadurch das er gegangen ist, hat sie keine Schuld mehr. Immerhin, es gibt auch Eheberatungen, aber natürlich nur von Menschen innerhalb der Glaubensgemeinschaft und denen ist die Bibeltreue eben näher als der einzelne Mensch. Nein, freie Wahl ist anders, für mich jedenfalls.

@ Liebe Bolz,

das mag so scheinen, als habe ich keine Grenzen, aber, meine Kinder sind innerhalb sehr enger Grenzen groß geworden. Weder hab ich jemals Schimpfworte noch garstige Tonfälle geduldet und so stößt mein Kind regelmässig an Grenzen. Ich erkläre ihr das auch, und naürlich, sie entschuldigt sich - nur spüre ich, das dies bei mir kein Vergeben hervor bringt, sondern Abwehr. Ich bin überrascht, von mir selbst, das mich ihr "Ungläubige" mehr trifft, als vieles.

Nein, sie behandelt andere nicht so, weil diese das nicht dulden würden, sondern weil sie dort anders sein will. Das kan zwei Ursachen haben, einer ist sicherlich Vertrauen. Hier ist ihr Rückzugsort, ihre Schutzzone - sie weiß - ich werde sie immer lieben und das ist gut so. Pubertät gehört auch in dieses Drama, zu einem gewissen Teil. Abgrenzung von sehr liberalen und verständnisvollen Eltern muss schwer für einen jungen Menschen, der anders sein will, sein. Und das andere ist, in diese Gemeinde will sie gehören, dort will sie sich so benehmen, wie sie sein möchte. Sanftmütig, Geduldig, liebevoll, besorgt - aber sie geht diesen Weg im Dauerlauf, nicht mit kleinen Schritten und Geduld. Sie betet um Vergebung für das Anschreien ihrer Familie, sie verurteilt sich selbst, anstatt darüber nachzudenken, warum bin ich SO gereizt? Das kann nicht klappen.

Und ja, natürlich habe ich Verständnis, sie ist mein Kind. Ihr und unser Weg war in all den ganzen Jahren mitunter sooo schwer, dafür hat sie sich tapfer geschlagen und gehalten. Die Freiheit des Denkens und der Wahl war für sie viel zu oft ein Dilemma, in ihrer Gemeinde erscheint es ihr leicht, schwarz und weiß leben zu können........... denn grau gibt es nur bei uns draußen.

Und nein, wir laufen ihr nicht nach, auch wenn das so scheinen mag. Wir beziehen sher deutliche Positionen und klare Worte. Immer wieder neu.

Liebe Grüße
Ansa
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Re: Hilflos

Beitrag von Ansa »

Liebe Gerda,

das ist es ja - mir ist nicht bewusst, warum ich so heftig reagiere - ich versuche genau dem auf die Spur zu kommen..... und will einfach heraus finden, was mich so anfasst.

Ich versuchs mal.

Ich komme aus einem strengen misshandelndem Elternhaus, in dem ich erst eigene Meinungen haben durfte, nachdem ich ausgezogen bin. In dem mein eigener Vater mir nach der Trennung von meinem ersten Freund, wir waren drei Jahre zusammen, sagte "Also ich würde Dich nicht mehr wollen, so als gebrauchtes Mädchen." Das hat mich damals unglaublich verletzt und ich wollte immer, das meine Kinder nicht freizügig und hinter jeden Busch hüpfen, aber das sie doch eine gesunde und freie Einstellung zur Sexualtität entwickeln und das ein oder andere, altersgerecht auch ausprobieren. Nun erklärt mir mein Kind, "ich gehe als Jungfrau in die Ehe um Gott zu ehren! *kreisch* - das erinnert mich an meine Mama, die mich aufklärte als ich 14 war (und die als Jungfrau in die Ehe ging, ihr Freund (ein Bruder meines Vaters) hat sie nämlich verlassen, weil sie nicht mit ihm schlafen wollte, "also weißt Du Kind, Sex macht keinen Spaß, aber die Männer mögen und brauchen es, also sorg dafür, das Dein Freund wenigstens die Verhütung zahlt." Was mich als 14 jährige seltsam anmutete, sorgt heute bei mir für kaltes Grausen, denn sie war mit meinem Vater ihr Leben lang verheiratet und hat ihm drei Kinder geboren und dann kein Spaß :oah: Oh mein Gott....

Von daher weckt dieser Absolutismus, diese unbeschreibliche Kompromisslosigkeit, in mir sicher Gefühle aus alter Zeit. Freiheit, Denken und Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit sind Werte, die ich mir hart erarbeitet habe und die ich nicht einschränken mag oder in Frage stellen will. Ich hab mich immer leiten lassen, ein jeder mag so leben wie er will, sofern er nicht von mir verlangt, das gleiche zu tun.......... und genau das verlangt sie und fordert sie. Klar sag ich ihr, das ist übergriffig und grenzüberschreitend. Ich habe Dich taufen lassen, in meinem guten Glauben und das war kein Unrecht, sondern mein Recht, Du darfst das heute blöd finden, meintewegen, aber ich stehe dazu. Als Beispiel.

Religion? Ist mir für mich wichtig, aber ich fordere sie nicht in meinem Umfeld ein. Der Liebste ist aus der Kirche ausgetreten, er hat gesehen, mir ist eine kirchliche Trauung wichtig und ein tiefes Bedürfnis, ich hab gesehen, er fühlt sich der Kirche nicht zugehörig. So hat uns unser Pastor sehr geprüft und uns die klassische Trauformel verweigert, aber wir haben eigene Worte für einander gefunden und uns ein persönliches Trauversprechen gegeben. Die Gemeinde hat dann für uns gebetet. Niemand von uns beiden hat den anderen komisch angesehen oder gedacht "oh meine Güte......" So lebe ich und so habe ich meine Kinder erzogen. Das war ein Kompromiss für uns Beide und er hat uns bereichert. Aber nicht eingeengt.

Der Liebste zweifelt an der Aussage "Jesus ist Gottes Sohn" ich seh sowas gelassen, ob Sohn nun Sohn im biologischen Sinne oder im Sinne Allvater ist, ist mir gleich, ob Sohn oder vielleicht doch auserwählter Prophet? Solange das Miteinander leben stimmig ist, die Werte, Normen und Moral sich gleicht, mag jeder glauben was er mag, sofern er es dem Gegenüber zugesteht.

Und da ist wieder die Grenze - niemals käme jemand aus meinem Umfeld dazu, zu sagen "Du hast ne Meise........." eher kommt mal ein "ich verstehe was Du meinst, aber ich sehe das anders." Und das kann ich immer zurück geben und so stehen lassen. Für mich ist das Gleichwertigkeit, die sicherlich einen großen Teil von mir ausmacht - die aber in diesem kirchlichen Kontext nicht möglich ist und so meine Grenze trifft, heftiger als ich das selbst erwartet habe.

Ich mag keine Diskriminierungen dulden, und schon gar nicht innerhalb meiner eigenen engen Familie. Und nun hab ich sie auf der Türmatte, beinahe täglich. Weißt wir haben immer im Spaß gesagt, solange unsere Kinder uns peinlich finden, solange ist alles im Lot, aber wenn sie beginnen, zu sagen "meine Güte, bist Du spiessig" dann wird es ernst und nun ist es mein Kind, das spiessig wird, oder noch mehr pietistisch..... mich gruselt es förmlich.

Das sind Emotionen, Gefühlsmässig ist mir klar, Druck erzeugt Gegendruck und je mehr ich dagegen sein werde, desto mehr wird sie sich dem zuwenden - aber Gelassenheit fällt mir hier wirklich ernsthaft sehr sehr schwer.

Und ihre Verzweiflung "ich will aber das Du gut findest, was ich tue....." zeigt mir, das sie weder im Gleichgewicht, noch auf einem guten Weg ist, denn natürlich, da hat meine Antwort "Niemals nicht!" gelautet und ihr verzweifeltes aber "wenn Du mich liebst, dann......." ist genauso gegen die Wand gefahren, so etwas gibt es bei uns nicht. Gab es nie - emotionale Erpressungen (erinnerst Du Dich an meine Schwiegereltern) lassen mich auf der Stelle dicht machen. Mit mir nicht, nie mehr, nie wieder. Umgekehrt eingefordert stellt sie dann die Treue zu Gott über die zu den Eltern. War ein interessantes Gespräch.

Irgendwie ich bin gegen Euch aber ich will das nicht. Na ja........... *seuftz*

Liebe Grüße
Ansa

P.S. frag ruhig mehr, vielleicht finde ich durch Nachdenken ka den Punkt, an dem es bei mir hakt.
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Re: Hilflos

Beitrag von Bolz »

Hallo Ansa,

erlaub mir noch eine Bemerkung. Das was Du aus Deinem Elternhaus beschreibst ist ohne Worte. Vielleicht sticht es Dich grade deswegen so, dass die Sicherheit und "Freizügigkeit" von Deiner Tochter gar nicht als Geschenk wahrgenommen wird ? Vielleicht hättest Du hier ( zurecht ) etwas wie Dankbarkeit oder zumindest realisieren wir gut es ihr geht erwartet und bist deshalb in diesem Fall so enttäuscht ? Du hast es scheinbar wirklich mies gehabt und Deine Tochter wohl eher nicht. Das muss weh tun, das sie das nicht anerkennt und realisiert. Ist das vielleicht ein Grund Deiner Ablehnung. Und wenn ja, warum erlaubst Du Dir das nicht ? Kann man Menschen die man liebt nicht auch in manchen Bereichen total sch...finden ? Ich finde Du solltest Dir das nicht verbieten.

Wenn ich mir vorstelle, dass Du zu Hause nicht wesentlich anders bist, als Du hier schreibst, dann würde mir - auch wenn das total ungerecht ist - Dein "immer Verständnis haben" irgendwie total auf den Senkel gehen. Wenn sich einer so daneben benimmt, will ich klare Worte hören, nicht ein warum ist das jetzt so und das Kind hat es doch so schwer gehabt. Bei mir erzeugt das was ich "Sozialarbeitergehabe" nenne immer automatisch einen Gegendruck, weil ich finde, dasss diese so überlegten Menschen irgendwie rüberkommen, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Außerdem macht mich so ein zur Schau gestelltes beherrscht sein irgendwie immer agressiv, weil ich das Gefühl habe, dieser Mensch hält sich für was besseres. Weil er eben so reflektiert und besonnen ist.

Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte Dich nicht angreifen und sicher meinst Du es nicht so, aber manchmal passiert es mir, dass mein Eigenbild nicht mit meinem Fremdbild überein stimmt. Und um das zu merken benötige ich Feedback von außen, wie Du hier. Es ist nur als ehrliche Antwort gedacht, wie alles bei mir ankommt. Ich weiß ich kenne Dich nicht und will Dir nichts böses unterstellen. Just my Senf.
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Ansa
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Re: Hilflos

Beitrag von Ansa »

*lächel* nein, ich bin nicht wesentlich anders als hier, aber durchaus impulsiver, da schrei ich durchaus auch zurück bzw. regiere heftiger als hier. Beim Schreiben kann ich besser denken als beim Reden, das ist der Unterschied.

Ich beziehe schon klare und eindeutige Positionen und ich verlange durchaus auch ernst gemeinte und begründete Entschuldigungen. Hier sicher anders als zu Hause, denn natürlich kann ich daheim anderes reagieren und handeln, mit anderen Rechten, als hier. Hier suchen Menschen Hilfe und wenn ich da sagen würde "Du hast nen Rad ab" würden sie sich unverstanden und gemassregelt zurück ziehen und niemand würde etwas erreichen. Veränderung erreicht man durch Einsicht und die erlangt man durch Verständnis. Nicht durch Abwehr oder Wertung.

Ich war als Kind ähnlich heftig wie meine Große, man warf mir oft vor, wie angestochen durch die Wand zu stürmen - am Ende hat es mir niemals etwas gebracht, nur nachdenken und besonnen handeln, hat mich dahin gebracht, wo ich heute bin. Mein Anteil spielt für mich immer eine große Rolle, aber glaub mir, ich kann auch auf die Palme. Nur sehe ich mich hier, als User nie so angegriffen, wie zu Hause. Hier bin ich distanzierter und versuche mich in andere zu versetzen. Nicht alles was ich für jemand anderen als richtig empfinde, würde ich selbst leben wollen - und darum geht es - das meine Ideen richtig sind, für diejenigen die Hilfe suchen, nicht für mich.

Und ja, ich kenne das von mir auch hin und wieder, das ich eine Grenze suche und das mich Menschen die so unendlich zuneigend und verständnisvoll scheinen, mich reizen - wo ist ihre Grenze........... meine kenne ich durchaus. Ich weiß was Du meinst.

Hier geht es jetzt um mich, und ja, ich halte es für durchaus möglich, das ich gar nicht gegen meine Tochter stehe, sondern das sie stellvertretend für irgendein altes Kellerkindgespenst meiner Vergangenheit steht. Das will ich sortieren und heraus finden.

Liebe Grüße
Ansa
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Gerda
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Re: Hilflos

Beitrag von Gerda »

Liebe Ansa,

ich finde es nicht so schlimm, dass deine Tochter sich in diesen religiösen Dingen ausprobiert und auch mal sagt, sie wolle als Jungfrau in die Ehe gehen, um Gott zu ehren. Für mich klingt es so, wie der Versuch, ganz ernsthaft ihre Religiösität zu praktizieren. Diese Ernsthaftigkeit hat sie vielleicht von dir? In einer Zeit, in der Jugendliche unter einem immensen Druck stehen, sich sexuell zu "betätigen", ohne irgendeine Reife dazu zu haben und völlig leer, in einer Zeit, in der 11 jährige daher plappern, dass sie einen "blow job" gemacht haben und ihren Selbst - Wert nicht aus sich selbst, sondern aus der sexuellen Vermarktung ihres eigenen Körpers beziehen, kann ich dieser Haltung auch viel Positives abgewinnen. Ich verstehe dein Entsetzen darüber, aber vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie du befürchtest?

Ich persönlich habe auch unter einem großen Druck gestanden, was SExualität angeht, denn als ich Jugendliche war, knallte gerade die sog. sexuelle Revolution durchs Land. Sie verlangte, mit jedem Beischlaf zu vollziehen, nur so zum Spass und es war vollkommen bindungs - und beziehungslos.

In diesem Satz deiner Tochter steckt für mich auch drin, dass sie ihre eigene SExualität sehr hoch einschätzt und sehr schützt. Das empfinde ich als sehr positiv.

Solche spirituelle Auseinandersetzung und Betrachtung des eigenen Inneren erlebe ich für mich als sehr Verletzlich und Intim. Es ist ein großes Vertrauen, dass sie Euch davon erzählt. Mich rührt es, dass sie sich so sehr wünscht, dass Ihr das gut findet, was sie da tut. Vielleicht kannst du auch etwas finden, was du gut findest daran?

Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ich schreibe mal, wie es sich für mich anfühlt, was schwer sein könnte für dich: deine eigene Tochter kommt mit den fanatischen Einstellungen zu dir, mit der auch deine Eltern, besonders dein Vater, dich sehr verletzt haben. Ihr Missionieren und Sein in der Familie ist, so wie du es beschreibst, sehr stark geprägt von Entwertung deiner Person. Auch da ist sie deinem Vater sehr ähnlich, möglicherweise? Sie ruft die Verletzungen in dir wach, die kindlichen und jugendlichen Verletzungen von so viel Entwertung, gepaart mit spirituellen Fragen. Ich fühle es zumindets für mich sehr schwierig, das Missionieren gepaart mit so viel Entwertung durch deine Tochter. Ich glaube, ich würde da auch sehr allergisch drauf reagieren.

Für mich war es so, dass ich lange Zeit um alles Religiöse und spirituelle einen großen Bogen gemacht habe und das Kind mit dem Bade ausgeschüttet habe, weil das Bad so viel zu tun hatte mit Mißhandlung, Mißbrauch, religiösem Mißbrauch, Schuld, Angst, Verboten und auch Entwertung von mir als Frau. Ich habe sehr lange ebraucht, meine Religiösität zu "befreien" von diesen schädlichen Prägungen aus dem Elternhaus, bin noch immer damit beschäftigt. Ich glaube, mich würde das sehr an diese alten Verletzungen aus dem Elternhaus erinnern und mich total befangen machen und meine Offenheit meiner Tochter gegenüber an der Selle völlig verschließen. Religiösität zu leben ist etwas sehr privates, Intimes, Verletzliches , viel mehr noch als alles andere.

Auch deine Überschrift von diesem Thread läßt mich an Kindliches denken. . Hilflos bist du so gut wie nie., aber hier bist du es. Hilflos ist man normaler Weise als Kind. Als ERwachsene kann man das in seltenen Fällen auch sein, aber meist scheint es mir doch ein kindliches Gefühl zu sein.

Ich stelle es mir jedenfalls sehr schwer vor mit deiner Tochter und auch mit dir selbst, so wie du es beschreibst, was du mit ihr und in dir erlebst.

Ich hatte vor 30 Jahren auch so eine "Adler-Christiane", wie du. Sie sagte mir damals häufig: "Kinder sind die Chance ihrer Eltern." Ich weiß nicht, ob sie das von Dreikurs hatte. Sie meinte auf jeden Fall damit, dass die Kinder mich an Punkten berühren, wo ich mich selbst entwickeln kann. Damit konnte ich immer etwas anfangen, Das habe ich sogar so verinnerlicht, dass ich oft noch heute mich frage, "worin liegt meine Chance in diesem Konflikt".

Insgesamt weiß ich von mir und von vielen Müttern, die ich im Laufe meines Lebens begleitet habe, dass es ganz besonders schwer ist, die Kinder los zu lassen und in etwas hinein zu lassen, was wir so entschieden ablehnen. Meine Nachbarin Erna hat furchtbar darunter gelitten, dass ihr Sohn anfing, zu rauchen. Es ist einfach oftmals so, dass die Abnabelung durch etwas geschieht, was wir einfach nicht leiden können. Und da müssen wir durch. Das müssen wir aushalten, sei es noch so schwer.

Liebe Grüße :umarmen:
Gerda
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Ansa
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Re: Hilflos

Beitrag von Ansa »

Liebe Gerda,

danke für Deinen langen und anregenden Post.

Das Ausprobieren religiösen Lebens finde ich auch nicht unbedingt schlecht, sie tut es nur so absolut - sie ist aus unserer evangelischen Kirche ausgetreten, sehr konsequent, obgleich ihr das in kirchlichen Einrichtungen durchaus von Nachteil sein kann. Sie ergibt sich Regeln und Riten und nimmt diese sehr ernst. Möglicherweise, sehe ich da durch ihr Wesen, auch Schwierigkeiten.

Werte, Normen, Regeln, Moral und Ethik sind bei uns durchaus Themen, umso mehr, das ein Ethikmodul zu meinem Studium gehört, das auch zu Hause für reichlich Gesprächsstoff sorgt und weil aktuelle Fragen auch immer wieder ein Thema bei uns sind. Überlegungen, warum zum Beispiel der Liebste nicht viel fliegt, sondern leiber Bahn fährt, sind bei uns auch öffentlich auf dem Tisch.

Das sie auf sich acht gibt, kann ich positiv sehen, ich hab nur so meine Probleme mit "absoluten" Aussagen, denn sie neigt dazu, sich an solche zu krallen, egal wie anders sich das Leben entwickelt. Als Beispiel, sie hat ja einmal gesagt, das sie niiiiieeee wieder Papa in H. besuchen wird und auch wenn ihr das heute Bauchweh bereitet, sie will nicht wortbrüchig werden, sich selbst gegenüber nicht. Sie will nicht lügen (was ja eine Sünde ist) und deshalb muss sie zu dem "Nie" blind stehen. Und an Papas Geburtstag hilft er ihr aus der Patsche und feiert woanders. Solche Beispiele gibt es durchaus viele, da geht es dann nicht mehr um die Sache um die es geht, sondern um das was sie gesagt hat und ihr Festhalten entgegen der Vernunft an solch getroffenen Aussagen.

Und ihre Einstellung zum Sex hat bestimmt auch etwas mit Papas Promiskuität zu tun, seine getroffenen Aussagen "ich laufe nackt vor Euch herum, damit ihr nicht so verklemmt wie Mama werdet" verkehren sich ins Gegenteil. Leider. Wenn sie nur nicht so absolut wäre, aber vielleicht ist genau das, ja auch ein Vorrecht der Jugend? Vielleicht können nur aus absolutistischen Ansichten gemäßigte werden? Ich hoffe es sehr.

Wenn ich an das Thema Abtreibung denke, erkenne ich solche Entwicklungen bei mir, ich war nie ein Befürworter - von den Problemen des Lebens, von den Widrigkeiten und den wirklichen schweren Schicksalen hatte ich doch keine Ahnung, damals..... das hat sich für mich erst im Laufe des Lebens verändert und auch das ich für mich entscheiden darf, aber andere für andere Entscheidungen nicht verurteilen darf, habe ich später gelernt. Manchmal denke ich, wir sind für sie zu "schwer".

Und ja, ich glaube durchaus, das es bei mir um alle "Kellergeister" geht, das die kleine Ansa emotional berührt ist und nicht die große. Das ich meinen Vater durch meine Tochter gespiegelt bekomme und dass das etwas aufrührt, das ich lange überwunden glaubte? Das sind ja die Punkte die suche, ich will trennen zwischen ihr und mir und wenn ich dies kann, werde ich meine Gelassenheit, hoffe ich sehr, wieder finden können. Wenn ich weiß, warum das so heftige Emotionen bei mir aufwühlt, kann ich ihnen entgegnen und nicht blindlings auf mein Kind reagieren.

Und auch ja, wäre sie zu den Punks gegangen, hätte das lange nicht die Krisen ausgelöst, die sie jetzt heraus fordert. Wäre sie zu den Autonomen gegangen auch nicht - Jugendkulturen hätten uns eher gewundert als getroffen. Von daher hatte sie wenig Auswahl um uns zu erschüttern. Ich hoffe nur, sie fängt sich nicht in eigenen Netzen.

Immerhin Gehorsam um des Gehorchens willen war noch nie ihr Dinge, ich bezweifele ernsthaft, das ihr das gelingt...... dauerhaft. Und die Frau sei dem Mann gehorsam - das will ich sehen. Na besser nicht. Und der Konflikt wird dann nicht meiner sein, aber sicher werde ich für sie da sein.

Jedenfalls nähere ich mich "meinem" Punkt und wenn ich ihn finde, dann werde ich auch die Lösung in mir finden.

Danke Dir
Ansa
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Gerda
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Re: Hilflos

Beitrag von Gerda »

Liebe Ansa,

ich habe ein richtig gute Gefühl bei dem, was du schreibst. Es klingt schon etwas Entspannung durch, wenn du dich deinen eigenen "Kellergeistern" zuwendest.

Ja, das Absolute ist eine Eigenschaft der Jungen und Heranwachsenden. Sie müssen so absolut sein, weil sie ja ihr Leben lang nach unseren Werten gelebt haben, ohne darüber nachzudenken. Mit der Pubertät wird der Wunsch nach eigenen Werten ganz stark, und um sie neben unseren Werten zu behaupten, müssen sie absolutistisch werden. Sie können nicht anders. Da seid Ihr beiden Euch vielleicht auch ein bisschen ähnlich? denkt nicht jede von Euch beiden, dass ihre Werte die Richtigen sind? Und ist nicht diese Auseinandersetzung in all ihrer Hochbrisanz etwas, was eigentlich an den Rahmen und Inhalt von Weltpolitik rührt? Christen, Moslems, Fundamentalismus, Selbstmordattentäter - der interreligiöse Dialog, aus dem entstehen könnte, dass alle Religionen friedlich nebeneinander leben können, hat gerade erst begonnen. Also das, was Ihr beiden im KLeinen in der Familie tut, hat aus meiner Sicht eine weltpolitische Bedeutung......aber das ist noch mal ein anderes Thema......

Das gute Gefühl rührt auch daher, dass ich mich daran erinnere, was du alles in all den Jahren über dich und deine Kinder geschrieben hast und wenn du dich daran erinnerst, dass sich deine Einstellungen im Leben auch hin und wieder geändert haben. Ich bin mir aus all dem sicher, dass du ihnen sehr sehr viel mitgegeben hast, was sie stark macht darin, zu fühlen, was "ihr Ureigenes" ist. Egal, was sie jetzt mit knapp 18 sagt - alle Wege bleiben offen, auch wenn sie so verbohrt an Entschlüssen fest hält. Alles deutet für mich darauf hin, dass sie einen sehr starken Charakter und eine sehr starke Persönlichkeit hat.

Sie wird sich im Laufe ihres Erwachsenwerdens und wenn sie irgendwann mal auszieht, an anderen reiben, an anderen messen, wird anderen Einflüssen ausgesetzt sein, bei denen es nicht auf dem Spiel steht - wie dir gegenüber - eine als erwachsen und reif gefühlte Haltung aufzugeben.

Ich meine, du könntest guten Mutes sein, dass sie sich noch entwickeln wird, denn sie klingt für mich nicht so, wie eine, die sich dem Wachsen verweigert.

Meine Tochter hat mit 20 gesagt, dass sie mit ihrem Freund 3 Kinder haben wollte und 10 Jahre zu Hause bleiben wolle. Das fände ich bestimmt total doof. Das hat sie mir unterstellt, obwohl ich so etwas nie gesagt habe. Es stimmt auch nicht. Doof finde ich, wenn man bzw. Frau sich in so eine starke finanzielle Abhängigkeit begibt und diese Abhängigkeit später ausgenutzt wird. Das war schließlich meine Erfahrung. Die Konsequenz wäre für mich von daher ein Ehevertrag, in dem vorab festgelegt ist, wie mit dieser Abhängigkeit umgegangen wird, sollte die Partnerschaft scheitern. Sie hat dann gemault und heftig herumgeschossen, so wie deine Tochter jetz. Mittlerweile ist sie 25, lebt nicht mehr mit ihrem Freund zusammen, will noch ein Studium beginnen und hat einen neuen Freund. Ich habe den Eindruck, dass es ihr eigenes Anliegen mittlerweile ist, finanziell ganz unabhängig zu werden, auch für eine Ehe. Das Absolute hat sich herausgewachsen und ist einer gelasseneren Haltung gewichen.


Ich bin gespannt, was dir bei der Geistersuche noch begegnet. Ich wünsche dir und Euch alles Gute in diesem Konflikt.

Liebe Grüße
Gerda
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Ansa
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Re: Hilflos

Beitrag von Ansa »

Liebe Gerda,

ja, so ist das *lächel* natürlich gehören zum Leben andere Pläne und Vorstellungen, als die, die dann einmal Wirklichkeit werden.

Ich glaube einfach, wir sind ein wenig zu schwer für unser Kind, zu breit gefächert, zu tief, zu vielschichtig - vielleicht ist das der Punkt, an dem sie uns mit 17 nicht folgen kann? Wir sehen zu viele Möglichkeiten anstatt endliche Momente. Zu viele Wege, zu viele Varianten.... das konnte ich, glaube ich, mit 17 auch noch nicht, da fehlt etwas Wesentliches - Lebenserfahrung. Ich kann versuchen, das ein wenig "leichter" zu sehen oder anzunehmen.

Und mein Leben ist, im Gegensatz zu vielen anderen - nicht leicht gewesen, ich hab so viele Erfahrungen gemacht, das es mich manchmal schaudert und ich mich frage "warum landet das bloss alles bei mir?" Am Ende ist es immer für etwas gut gewesen und mir gelingt es, mich in so viele verschiedene Menschen einzufühlen und sie anzunehmen, das mir das in meinem Beruf sicher eine große Hilfe sein wird - wenn ich dann mal irgendwann fertig bin.

Mal sehen, vielleicht besinne ich mich auf die Grundlagen von Dreikurs, der da sagt "kein Aufhebens von Fehlern machen", halte mich raus und lege mein Augenmerk lieber auf die Anteile, die einfach klasse sind..... ? Außer wenn sie diskriminierend herum schwelgt, dann greife ich schon ein.

Vertrauen muss ich wohl eher zu mir selbst haben - das fällt mir manchmal, wenn ich mir bewusst mache, wie weit ich mich von meinem eigenen Familiensystem entfernt habe und wie "allein" ich bin, doch schwer. Kein Kontakt zu meiner Herkunftsfamilie (auch zu meinen Geschwistern nicht), die "Böse" innnerhalb der Exschwiegerfamilie - ich hab Freunde, die mir näher stehen, als es die Familie je tat - und doch, manchmal spüre ich da einfach so einen Hauch von Einsamkeit und einen Wunsch nach Verständnis. Legitim aber wohl unmöglich..... okay, mein Papa hat heute Geburtstag, das ist immer ein schwerer Tag für mich, grad dieses Jahr, weil er auf die Frage nach mir geantwortet hat, er habe keine andere Tochter mehr. Das macht mich immer noch traurig, einen Moment und der geht, das weiß ich, auch vorbei. Vorbei ist besser als zurück.....

Dir liebe Grüße und alles Gute
Ansa
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Re: Hilflos

Beitrag von sonnenschein2 »

Liebe Ansa,

lass dich von mir einfach mal drücken- :umarmen:
Ja. es gibt solche Tage, da spürt man, dass das Leben eben kein Ponyhof ist. du weißt ja, dass auch ich zu den "Verstoßenen" gehöre. Aber mittlerweile kann ich ganz gut damit leben. Es ist eben so wie es ist und wir können unsere Leben jeden Tag neu erleben und leben. Lieber "alleine" und glücklich als wieder zurück in den Zwang und Druck. Außerdem sind wir vielleicht alleine,aber wir sind nicht einsam. Wer weiß wie es unserer "alten" Kernfamilie mal gehen wird. Ich glaube fest daran, dass auch sie noch Zeit zum Nachdenken bekommen werden.
Außerdem hilft mir ein Satz, den du immer zu schreiben pflegst....Ich weiß, dass ich die Dinge, die mein Exmann über mich in Umlauf bringt nicht getan habe. Und nur das alleine ist wichtig. Auf die Leute, die ihm dass alles glauben, kann ich gut verzichten....

Du schaffst es deinen Weg zu gehen. Alles ist Fluss und bewegt sich, das ist das Schöne und Interessante am Leben...Wir sind gesund und haben liebe Mitmenschen auf die wir uns verlassen können um uns...Was kann es Schöneres geben?...

Fühl dich lieb bedacht
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