Ich bin so unglücklich........

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Ansa
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Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Ansa »

Hej Ihr Lieben

ich hab das zwischen den Zeilen ja schon mal angedeutet, das wir vermuten (wie sind in dem Fall meine Große und ich) das sie an einer Form des Asperger Syndroms leidet. Das ist eine Behinderung aus dem Bereich des Autismus und sie kann kaum Empathie (ich weiß nicht ob keine oder nicht) emfpinden, sich nicht oder nur sehr schwer (nach langen Erklärungen und Zitieren von eigenen Erlebnissen und eigenen Gefühlen in ähnlichen Situationen) in andere einfühlen und mitfühlen. Sie hat noch keine Diagnose, weil die Wartezeit auf einen Termin ungefähr ein Jahr beträgt und es wohl etwa um Ostern 2012 herum so weit sein wird, aber alle Tests (aus guten Selbsthilfeforen etc.) sind eher positiv "Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sie betroffen, bitte wenden sie sich zur Abklärung einer Diagnose an einen Facharzt". Ihre sozialen Kompetenzen sind sehr eingeschränkt, zwar hat sie vieles erlernt - sie weiß wann man sich entschuldigen sollte und warum, aber es klingt einfach unehrlich, sie weiß, das wird erwartet, aber sie fühlt es z.B. nicht.

Dazu kommt ein hoher Grad an Übergeregeltheit, ein Planen an dem sie beinahe sklavisch hängt (das zu Panikausbrüchen führt, wenn etwas durcheinander gerät), fehlende Spontanität (wehe es passiert etwas Unerwartetes, dann bekommt sie Tobsuchtanfälle). Soziale Kompetenzen sind wenig ausgeprägt und das führt bei uns immer und immer wieder zu Streit und Schreierei - sie schreit gleich immer...... und wird auch grob in der Wortwahl. Ihre Wahrheit, die sie sich erarbeitet hat oder an die sie glaubt ist pures Gesetz. Und, sie nimmt auch alles wörtlich, selbst Redewendungen.

Ich erinnere mich, damit ihr mich versteht, an eine Geschichte, wir zankten und über die Anzahl der Wochen im Jahr. Sie blieb steif und fest, unter Schreien, Toben und unflätig werden bei 53 Wochen, erst ein Kalender, in dem es deutlich wurde, das es nur 52 Wochen und 1 Tag sind, brachte sie zur Ruhe..... sie glaubte 53 und alle anderen logen und betrogen sie...... oder neulich, sie fragte ob ihre T-Shirts schon trocken sind, ich sagte "schau doch mal bitte, wo der der Trockner steht?" Und sie brüllte mich aus dem Nichts an, in der Wäschekammer, wie immer - und sie hätte die Schnauze voll, das ich sie für blöd halten würde. ABer in einem Ton?

Nun hab ich mich damit beschäftigt und weiß also, das ich gezielt fragen muss "schau doch mal bitte nach, an welcher Stelle das Programm steht" funktioniert.... Diskussionen früh genug beenden, funktioniert - aber immer immer wieder eskaliert es bei uns. Mittlerweile so sehr, das es jeden Donnerstag (da ist bei uns Mäedelsabend - alle die hier gewohnt haben, kommen zum Essen und Klönen Abends vorbei) Streit gibt. Und zwar bösen Streit, mehrfach verlässt sie dann weinend und traurig das Haus, während der Rest hier vor Wut schäumt. Gard heute morgen hab ich sie nach Hause gebracht, weil ich mit mir, mit unseren Hunden und meinen anderen Töchtern nicht so umgehen lassen. ICH lasse mich nicht anbrüllen. Punkt. Sie kann dann aber nicht aufhören...... bis ich sage "entweder Du gehst jetzt nach Hause oder Du kommst runter" (erinnert Euch, immer das, was man sich wünscht zuletzt sagen - hilft hier aber nichts, leider) sie hört dann nur, das wir sie nicht haben wollen - was nicht stimmt.

Heute Morgen hab ich auf dem Heimweg dann lange geweint, ich weiß nicht mehr, wie ich das aushalten soll. Meine Große weint, sie spürt natürlich die Defizite und sie ist wütend auf sich, sie will nicht so austicken, tut es aber trotzdem und ich kann es nicht ertragen.....

Heute Morgen ging es darum, das sie den Hund an die Schnauze getreten hat, weil er Fallwild aufgenommen hat und mein Mittelhen das "sch....." fand und auch sagte. Und dann schrie und schrie und schrie sie, auf der Straße, auf dem Flur, mich an, meine Tochter an, den Hund an - dann brüllte das Nachbarskind von oben - und ich hab gesagt "entweder nach Hause oder Ruhe" Sie brüllte weiter und dann ging sie, kam aber wieder zurück...... und ich brachte sie heim, weinend und traurig.

Ich bin bereit Rücksichten zu nehmen und auf ihre Behinderung einzugehen, aber ich bin nicht bereit, mich anschreien zu lassen, meinen Hund treten zu lassen und meine beiden anderen Töchter anbrüllen zu lassen. Zurück brüllen nutzt nichts, weil es nicht um die Sache sondern um Emotionen geht. Ich kann mich nicht zurück nehmen.......... müsste es aber tun........... immer immer hat man mir erzählt, ich dürfe dies nicht fühlen und jenes nicht (es geht um alte Befindlichkeiten, das weiß ich) und jetzt wird das wieder gefordert. Ich liebe mein Kind aber mir fehlt die Kraft damit umzugehen. Ich will sie nicht jedes Mal nach Hause schicken, aber ich halte das nicht aus...........Und jetzt weiß ich einfach nicht, was ich noch tun soll.

Traurige Grüße
Ansa
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Tamara22
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Tamara22 »

Liebe Ansa,
ach mensch das klingt garnicht gut.
Ich habe mir das mal angeschaut mit dem Asperger Syndrom. Ich bin ja kein Freund von Diagnosen, weil sie schnell zu einer Schublade werden und für den Betroffenen eine Ausflucht. Ein bischen erscheint mir das bei deiner Tochter auch so, also auf deiner Seite. Der Wunsch klarzukommen mit ihr und das Wissen, dass es sich um eine Krankheit handelt und aber auch das Gefühl, dass dir so das Recht genommen wird auf deiner Seite entsprechend ihrem Verhalten angemessen emotional zu reagieren.
Grade bei psychischen Erkrankungen entstehen so schnell Abhängigkeiten und ein System das sich selbst steuert und scheinbar ausweglos erscheint.
Ein bischen schwappt das bei dir so rüber, dass du viel Kraft aufwendest zu steuern und dich aber auch erschöpft und ausgebrannt erlebst und da keine Lösung siehst.
Und mit der Diagnose, die ja auch nicht heilbar ist wird das noch auswegloser...so erlebe ich das und das kenne ich ja auch aus unserer Familie.
Ideen habe ich dazu, die ich dir auch schreiben mag, für den Moment mag ich dir aber sagen, dass ich dein Unglücklich sein wahrnehme, dich darin sehe und verstehen kann, dass du da eine große emotionale Last verspürst, die kaum auszuhalten ist. Und dem entgegen immer wieder dein Wunsch Rücksicht zu nehmen.
Ich denke es macht Sinn sich euer Familiensystem nochmal genauer anzuschauen. Ich bin da bei uns grade dran und es macht sovieles klarer und erklärt Zusammenhänge, die man so garnicht direkt wahrnehmen kann, die aber solche Bindungen, wie Streit eine ist, lösen können...Kennst du einen systemischen Familientherapeuten?
Ich hab einen gefunden und das ist so ein guter und wesentlicher Schritt für mich gewesen und auch für die Familie.
Ach du, fühl dich gedrückt und ich schicke dir ein lächeln, ein aufmunterndes...manchmal ist das Leben echt bescheiden ;-)
Tami
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Bolz
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Bolz »

Hallo Ansa,
Mensch, da hast Du noch Zeit mir auf meine ( im Gegensatz zu Deinen ) lächerlichen Kleinigkeiten zu antworten...es tut mir so leid für Dich, das muss furchtbar sein.

Ich habe davon gar keine Ahnung, aber wenn jemand richtig brüllt oder gar meine Tiere treten wurde, könnt ich auch nicht aushalten.

Ich hoffe sehr für Dich, dass Du und Deine Tochter schnelle Hilfe finden. Hier bei uns gibt es einen psychischen Notdienst, der hat einer Bekannten von mir mal geholfen, vielleicht gibt es sowas auch bei Euch ?

Ich wunsche Dir ganz viel Kraft !

Bolz
MarliJo

Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von MarliJo »

Liebe Ansa,

solche Streits, unschönen Begebenheiten und solche "ungelösten" Tage strengen an und zehren Energie.
Was dich betrifft, finde ich es wichtig, dass du dir zugestehst, nach solch einem schweren Tag, unglücklich zu sein.

Nun erinnere ich mich zurück an vielses, was du hier über deine Große geschrieben hattest, über die Probleme, die ihr miteinander hattet...und nicht selten hast du, haben es hier dazu Schreibende auf die Pubärtät geschoben. Das mag aus dem "neuen" Blickwinkel ja beinahe lächerlich klingen, wenn sich die Vermutung des Leidens unter dem Asberger Syndrom kontreter feststellen lässt.
Und in diesem Zusammenhang sehe ich den Aspekt, den Tami eingebracht hat, was die "Schublade" berifft. Nun steht -berechtigt oder nicht- diese Krankheitsvermutung im Raum und der Fokus richtet sich darauf. Ohne Frage ist es ganz sicher wichtig, dass ihr das ernst nehmt und dieser Vermutung nachgeht. Ebenso wichtig finde ich, dass du/ihr weiterhin die große Tochter/Schwester als Ganzes seht,einschliesslich der natürlichen Verhaltensweisen, die aus Sicht der Gegenüber ja schnell als daneben eingestuft werden.
Ich habe da keine Ahnung, wo dort die Grenzen zwischen "normal" und "unnormal"(krankhaft) sind, aber dieser Gedanke kam mir beim lesen, sie nicht als etwas "besonderes" einzuordnen (so sehe ich das ja auch bei Scheidungskindern, gleichwohl finde ich es richtig, dass sie besonderes Augenmerk verdienen).

Familienangehörige, die unter einer nicht heilbaren Krankheit oder psychisch bedingen Empfindsamkeiten leiden, machen, ohne dass sie es wollen oder ihnen bewusst ist, ja immer auchh etwas mit ihrem Umfeld. Insbesonder natürlich nächste Verwandte oder Freunde. Mehr oder minder alle werden Teil einen Kreislaufes, aus dem Betroffenen kaum eigene Impulse geben können, wie der Kreislauf anzuhalten ist oder aus ihm herauszukommen ist.
Ist das bei euch schon so oder siehst du da Gefahr, dass es so werden könnte ? Wieviel dreht sich schon um "die Große", wieviel hilft ihr Rücksichtnahme ?

Soweit einmal und fühl dich gehört mit deinen Sorgen !
MarliJo
FairyQueene

Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von FairyQueene »

Liebe Ansa,

oh je, das klingt nicht gut, und vor allem für dich und die Familienmitglieder sehr belastend. Da sie ja nicht mehr zu Hause wohnt, wie geht es ihr denn in ihrem sonstigen Umfeld? Wird sie da auch so aggressiv? Was macht sie denn eigentlich gerade?

Dass man so lange auf einen Termin warten muss, ist bitter. – Mich wundert ein bisschen, dass ein Asperger sich erst so spät entpuppt? Vielleicht ist es doch was anderes? Mein Sohn hatte einen Klassenkameraden mit Asperger, da wurde das am Ende der Grundschulzeit bereits überdeutlich, aber sicher gibt es da auch Abstufungen der Kenntlichkeit. (Der ist übrigens gar nicht aggressiv, dafür aber in der Lage, ohne Schuhe in die Schule zu gehen, hochbegabt, aber andererseits nicht fähig, sich Hausaufgaben zu merken. Er kümmert sich einfach nur um das, was ihn interessiert, und die soziale Interaktion ist auch schwierig.) Das mit den Redewendungen scheint allerdings typisch zu sein.

Du kannst nichts tun, denke ich. Dass ihre Schreierei die Notwehr eines überforderten Hirns und einer überforderten Psyche ist, diese Erkenntnis nützt dem Angeschrienen nichts. Wenn man sich an die raren Situationen erinnert, die einen selbst austicken lassen, und sich vorstellt, dass deine Tochter sowas mehrmals am Tag erleben muss, weil sie anders gestrickt ist – puh. Sie leidet bestimmt nicht weniger als du, aber trotzdem, wie gesagt, sie schreit und du bist die Angeschriene.

Wenn ihr eine Diagnose habt, kann man weitersehen. Halt durch!

Liebe Grüße
Fairy
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Ansa
Inventar
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Ansa »

Guten Morgen Ihr Lieben,

ich fühle mich durch Eure Antworten schon ein wenig aufgefangen. Ich gestehe mir das Traurig sein schon ein, vielleicht auch, weil es mich diesmal einfach überrollt.... gestern bin ich nach 10 Minuten auf dem Sofa eingeschlafen, völlig erschöpft. Und ich hab seltsame Antworten auf Fragen meiner Familie gegeben, schon ein wenig neben der Spur – was natürlich auffällt und mich auch dazu zwingt, mich selbst zu betrachten. Ich bin froh, das der Liebste und ich gleich ins Elternwochenende fahren und das er, durch seinen neuen Job, den er Montag beginnt viel öfter und länger daheim sein wird, als vorher.

Ich bin kein Anhänger von Schubladen und doch sehe ich so eine Diagnose eher als Erleichterung an, wenn sie denn fällt, als als Erschwernis. Für mein Kind, weil es sich dann nicht mehr fragen muss „Was ist denn an mir verkehrt“ das tut es nämlich und meine Tochter leidet.... wie sagte sie „ich fühle mich immer als sei ich in einer verkehrten Welt und verstände einfach nicht, was um mich herum vorgeht.“ Das ist ihre Wahrnehmung von sich und der Umwelt und ich kann mir nur Ansatzweise vorstellen, wie ihr Leben für sie aussieht. Natürlich eckt sie auch im Außen an....

Für mich, weil ich mich der Frage „was hab ich denn falsch gemacht?“ nicht mehr stellen muss, denn eine Behinderung ist einfach da, sie ist keine Krankheit die ich hervor rufen oder verstärken kann..... aber ich kann einen Umgang damit finden, darüber reden und sehen was ich daraus mache.

Und zu einer späten Diagnose? Als sie in die Schule kam, wollte sie nicht lesen lernen, und ich hab sie auf Legasthenie testen lassen (ihr Papa ist betroffen), heraus kam, das sie überdurchschnittlich intelligent ist, knapp an einer Hochbegabung vorbei und ich erinnere mich an die Ärztin die damals sagte „stellen sie sich darauf ein, das ihre Tochter mit hoher Wahrscheinlichkeit soziale Schwierigkeiten haben wird, die meisten Kinder die so einen Intelligenzgrad haben, sind davon betroffen.“ Und solche Probleme hatte sie dann auch....

Vieles ließ sich damit erklären, dann kam die Trennung und Trennungskinder zeigen sich oft unangepasst, auffällig – dann kamen Papas esoterische Aussetzer und sein Hang zu psychischer Gewalt. Ihre heftigen Reaktionen schienen so normal zu sein, so notwendig... in der Pubertät sind Jugendliche oft selbstbezogen und auch da hab ich zwar manches Mal gedacht, das sie übertreibt, aber als es nicht besser sondern immer schlimmer wurde, da war es auffällig. Je mehr die sozialen Kompetenzen ihrer Schwestern stiegen, desto auffälliger wurden ihre Defizite.

Und natürlich, da sie nun mal sehr klug ist, hat sie vieles kompensiert. So kommt sie mit den meisten Situationen die ihr begegnen aufgrund erlernten Verhaltens klar. Sie kann auf Erfahrungen zurück greifen und sie umsetzen. Es setzt nur total aus, sobald die Situation neu ist und unerwartet..... sie hält sklavisch an eigenen Abläufen fest und gerät in Panik wenn diese durcheinander geraten. Verschlafen reicht da aus......

Sie hat ihr eigenes Leben gut im Griff, ich bin stolz auf sie. Sie versorgt sich, geht fleissig zur Schule, nimmt alles ernst – das klappt prima, sie ist da verlässlich, zielbewusst und fleissig und arbeitet dem entgegen, was man Aspergern nachsagt. Sie trifft sich mit Freundinnen, geht auch raus und läuft Inliner, sie sucht soziale Kontakte. Und ich sehe auch, das ihr das schwer fällt. Ist eine bestimmte Nähe hergestellt kracht es draußen ähnlich wie bei uns, nur verliert sie dort Menschen, weil – wäre sie nicht meine Tochter müsste ich sehr überlegen ob ich mir ihr Verhalten gefallen lassen würde.... zwar weiß sie, wann eine Entschuldigung angemessen ist, aber sie klingt einfach unehrlich... so als bekomme man sie, weil es notwendig ist, aber sie kommt nicht von Herzen.

Und, dazu kommt, das Anschreien bei mir Reaktionen auslöst, die ich nicht immer im Griff habe. Je näher sie mir dann kommt (und sie überhört die Bitte zurück zu bleiben) desto mehr reagiere ich.... bis hin zu Schweißausbrüchen und Verteidigung. Ich hab mich bisher immer so im Griff gehabt, das ich notfalls die Flucht ergreifen kann, aber ich weiß nicht, was passiert, wenn ich das nicht könnte...... das sind alte Muster von mir, zu oft wurde ich selbst, angebrüllt und misshandelt – ich kann mich dem normalerweise durch „Bitte, nicht so nah“ gut entziehen, aber sie ist die Einzige die das komplett ignoriert. Hier treffen also ungünstige Bedingungen aufeinander, die mir ein vernünftiges Handeln erschweren. Ich reagiere irrational, nichts, was ich schätze. Also schicke ich sie, das wird mir klar, auch nach Hause, um uns zu schützen.

Sie will nicht, das ich, ohne gesicherte Diagnose, mit irgendwem außer dem Liebsten darüber rede – das ist schwer.... ihre Schwestern sind zur Zeit stinksauer. Sie sehen, das es mir nicht gut geht und nehmen das persönlich. Sie haben den Streit ja mitbekommen, waren teils dabei.... und ich soll nichts erklären. Wie kann man das Verhalten erklären ohne eine sinnvolle Begründung? Annehmbar ist es nicht........... „so ist sie eben?“ Wenn sie den armen Hund getreten hat? Das geht nicht.... und so sehr ich das schätze, darüber erst reden, wenn es gesichert ist, desto mehr zweifele ich, ob es hier angebracht ist? Sie zerstört so viel von dem, was ihre Schwestern ihr entgegen bringen. Und sie sind ungnädig, die Schwestern. „Ich will nicht das sie her kommt, wenn sie so ist!“ sagt die Eine und die andere geht einfach.... auch das ist manchmal schwer auszuhalten.

Das ist das was mich bewegt, was sie bewegt kann ich nur erahnen.... aber wir nehmen sie ernst, Freitag gehen wir zu einem Vortrag über Familienleben für Aspies..... weil sie sagte, „wer will mich denn so haben?“ Ich hab`s aufgegriffen, dort hält ein Ehepaar, er Aspie, sie nicht, beide haben Kinder, einen Vortrag. Ich hoffe, das gibt er ihr Mut und Zuversicht und zeigt vielleicht Gedanken, die sie noch nicht hat? Wer weiß..... vielleicht hilft es auch dem Liebsten und mir?

Euch liebe Grüße und Danke
Ansa

P.S. vielleicht noch ein paar Gedanken zum Helfen und zum Rücksicht nehmen.... Rücksicht ja, aber ich bin da durchaus der Meinung das diese keine Entschuldigung sein darf für unangemessenes Verhalten. Also, sie muss lernen, das Hunde treten und Familie anschreien, egal wie man drauf ist, keine Lösung sein darf und kann und ich muss lernen, das nicht persönlich zu nehmen und einen Weg da raus zu finden. Sie muss lernen, sich dafür ernsthaft zu entschuldigen und ich muss lernen, damit umzugehen. Das wird ihr dauerhaft helfen..... sie ist erst 19 und hat noch viel vor sich. SIe muss sich dem Leben anpassen so weit sie das kann und ich bzw. wir wollen ihr dabei helfen, soweit wir das vermögen oder können. Mehr können wir nicht tun, aber uns anbrüllen lassen, weil das ihr Weg ist - das geht nicht!
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Tamara22
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Tamara22 »

Liebe Ansa,

ich kann deine Gedanken so gut verstehen.
Was ich sehe ist, dass ihr wirklich Leidensdruck habe, alle miteinander. Da bleibt ja niemand aussen vor.
Und ich sehe, dass es da um Verständigung geht und auch um Verständnis haben. Und das ist schwer, wenn die beiden Anderen nicht die Möglichkeit kriegen an eurem damit Umgehen teilzunehmen. Und das können sie nicht, wenn du nicht über diese Befürchtungen hinsichtlich der möglichen Diagnose sprechen darfst.
Damit holt dich deine Tochter ins System, das Abhängigkeiten schafft. So wie schweigen eine ist, ihr zuliebe. Ich verstehe, dass da sschwer ist aber ihr seid eine Familie und zu einem sozialen Gefüge gehört auch das sich mit-teilen dazu und Vertrauen haben und da liegt vielleicht grade ihr Thema und da wirst du mit einbezogen, wenn sie dich darum bittet da zu schweigen. Das ist nicht hilfreich in meinen Augen so sehr ich den Wunsch an sich verstehen kann. Ich finde da darfst du nach deinem Wunsch und Befinden und auch im Sinne der Familie entscheiden...
Und zu den Schubladen nochmal ein Gedanke. Ja ich sehe die Erleichterung da zu wissen was los ist und dann müssen da auch notwendige Schritte folgen, die ihr ja schon geht. Was ich meinte ist das innerlich davon wieder Abstand nehmen und auf seine Gefühle und Bedürfnisse zu achten, da offen und ehrlich zu sein und nicht die Krankheit in den Mittelpunkt zu lassen, um den sich das System dreht und aus dem alles dann begründet wird. Ja es gibt da Erklärunge für ihr Verhalten und es ist letzlich unwichtig, weil es um den Umgang mit diesem verhalten geht, bei ihr und bei euch und dem was da hilfreich ist und da denke ich manchmal eine Diagnose macht es nicht unbedingt leichter sondern bietet da schnell Entschuldigungen wenn es schwierig ist. Ich hoffe du kannst nachempfinden wie ich das meine. Ich glaube das loslassen dann wenn die Diagnose klar ist kann erleichternd wirken.
Nun seid ihr noch nicht da und ich wünsche euch, dass ihr da bald Klarheit bekommt und Wege findet wie ihr da mit einander gehen könnt...

Fühl dich umarmt und ich wünsch dir ganz viel Kraft und vor allem Momente des Glücks, damit der Speicher da nicht gar so leer wird.
Tami
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Ansa
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Ansa »

Liebe Tami,

das Wochenende hat mir erst einmal gut getan. Mein Liebster hat heute einen neuen Job begonnen, der es ihm ermöglicht, viel öfter zu Hause zu sein, als es ihm vorher möglich war. Schweiz, Genfer See und Göttingen sind doch Welten...... ich freu mich darüber unglaublich doll. Heute Abend gehen wir zusammen ins Kino, jenseits von Wochenende oder Urlaub, einfach mal so, am Feierabend. Das hatten wir Jahre nicht.......... ich weiß wohl, das er auch in Deutschland unterwegs sein wird und das er nicht jeden Abend nach Hause kommt, aber selbst der Gedanke, das er Freitags (da ist Bürotag) zu einer gemäßigten Zeit daheim sein wird und das er erst Montag nach dem Frühstück fährt, machen mich ganz happy....

Mein Kind *seuftz* nach dem letzten Chrash am Freitag letzter Woche hat sie noch einmal an die MHH geschrieben und versucht einen früheren Termin zu bekommen, hilft aber nichts...... immerhin ist ihre Not auch groß. Ich denke darüber nach, meine beiden anderen, bzw. auch den Freund meiner Tochter ins Vertrauen zu ziehen - es wäre, denke ich mir, um so vieles leichter. Zu wissen, das sie es nicht böse meint, wenn sie so abdreht; zu wissen, das man ihre Worte nicht eins zu eins übertragen muss - so wie es bei uns normalerweise üblich ist.

Was uns im ALltag schwer fällt ist ihre Weigerung über Vorfälle nocheinmal in Ruhe zu sprechen. Freitag ist also für sie vorbei und erledigt "Ich will darüber nicht reden und DU (das bin dann ich) hast das zu akzeptieren!" Meine Erklärung, das für mich nichts vorbei ist, lässt sie kalt und mich stehen. Und so sammeln sich, ob ich will oder nicht, lauter kleine Steinchen an, die zu einem Berg anwachsen. Nur zu wissen "sie ist eben anders" macht die Dinge ja nicht ungeschehen oder einfacher. Ich denke auch, sie muss sich dem stellen, einfach um zu lernen - das sind Fähigkeiten die wird sie noch ihr ganzes Leben lang brauchen.

Ihr wird, das hoffe ich von Herzen, einmal eine Verhaltenstherapie helfen, wenn solche Dinge von dritter Seite kommen, ohne die Emotionen wie bei uns, wird vieles leichter. Mit Abstand sowieso. Die Behinderung soll nicht im Mittelpunkt stehen, aber doch im Bewusstsein. Es ist schwer mit solchen Behinderungen, sie sind unsichtbar - man sieht ihr nichts an - niemand käme auf die Idee einem einarmigen Kind zu sagen "Nu iss aber mal fein mit Messer und Gabel" aber sie hört das wohl ständig "stell Dir mal vor...." - "Versetz Dich mal in meine Lage....." und ähnliches, das muss schwer sein, keine Frage. Aber ich sehe mich hier ala Mutter, nicht als Therapeutin oder Sozialarbeiterin - bei einer Klientin würde ich die Dinge nicht persönlich nehmen, bei ihr gelingt mir das einfach nicht.

Und so ist vieles voller Schmerz. Ich bin nicht böse auf mich, weil ich konnte, mit all meinem Wissen nicht mehr erkennen. Ich habe, vielleicht durch Schicksal den einzigen guten Erziehungsansatz für Menschen mit Asperger für meine ganze Familie gewählt, auch ein Grund, weshalb sie es so weit geschafft hat...... und doch bin ich traurig und manchmal auch mutlos.

Ansa

P.S. Danke, das Ihr da seid.
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Tamara22
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Tamara22 »

Liebe liebe Ansa,
das traurigsein und mitlossein darf sein und es soll einen Platz haben, hier und ich sehe dich darin und ich kann das so gut verstehen.
Ja es ist nicht einfach, für sie nicht und für dich nicht. Und eine Mama leidet immer mit, das kommt ja noch dazu. Und da kannst du auch nicht Abstand haben, denn du bist ja gefühlt mit ihr verbunden und das ist wichtig und das trägt und hat euch getragen und wird euch auch weiterhin tragen. Das ist Familie, so blöd und schwer das alles manchmal ist, da ist ganz viel Liebe drin, das kann ich spüren.
Ja sag deinen Kindern wie es aussieht, zeih sie ins Vertrauen, damit Vertrauen einen Platz hat auch darin, dass ihr das gemeinsam schafft und für einander da sein könnt, mit dem Gedanken, dass es eben nicht persönlich gemeint ist und auch der Antwort, dass es dennoch auch mal so ankommt und auch das darf sein. Beide Seiten sind in ihrem Fühlen und Reagieren einfach Menschen, die nicht aus ihrere Haut können und das will auch gesehen werden und das darf die Große auch erleben, dass es so ist, das ist auch eine Antwort auf ihre unausgesprochenen Fragen, wie das so mit dem Fühlen und Verstehen und Empfinden ist und sie kann an euch lernen.
Und ja eine Verhaltenstherapie macht da langfristig sicher Sinn.
Ich höre dir hier gern zu und die anderen sicher auch und ja es ist schön, dass wir alle da sind, so fühle ich das auch ;-)
Fühl dich umarmt und bedacht.
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Ansa »

Hej Ihr Lieben,

nach langen Überlegungen und auch Gesprächen mit uns lieben Ratgebern haben wir uns entschlossen, mit der Restfamilie (also erst mal ohne unsere Große) zu reden. Sie haben gefragt, erzählt, wie schwer es Ihnen fällt und sicher den einen oder anderen Gedanken gehabt.

Dann waren mein Liebster, meine Große und ich ja gestern bei dem Vortrag zum Thema "Autismus und Liebe" von Dr. Peter Schmidt und seiner Frau. Er ist hochfunktionaler Autist und Asperger wie er im Bilderbuch steht (sagte er) und sie ist eine ganz normale Frau.... es war berührend, teils lustig, teils aufwühlend und manchmal zum wütend werden (als er erzählte was der erste Psychologe für eine Beurteilung abgegeben hat, hätte ich platzen können!) und vieles von dem was er berichtete finden wir bei unserer Großen wieder.

So sind uns einige Dinge klar geworden, manches kann man ändern (mit viel Zeit) anderes nicht. Auch Dr. Schmidt reagiert absolut irrational wenn sich jemand auf seinen Platz setzt - als Familienvater mit zwei Kindern - wir kennen solche "Aussetzer" (so nehmen wir das wahr) von unserer Großen, die Tobsuchtanfälle bekommen kann - bei ungeplanten Umsetzungen am Tisch, etwa weil mal Besucht da ist oder wir eine andere Sitzordung festlegen. Manches wird bleiben, ihr innerer Kampf mit solchen Umsetzungen z.B. - sie hält das aus, wenn es angekündigt ist, aber eben auch nur das - Aushalten mit schwerer Arbeit mit sich und an sich selbst.

Wir haben heute noch mit allen hier gesprochen (außer meiner Großen) und manches erklärt - es ist so schwer zu erklären...... so schwer zu erfassen.... aber wir haben ein Stückchen mehr verstanden und wir sind froh, das wir dort waren. Es ist gut, das die Diagnose so spät fällt, so hat sie vieles lernen müssen/dürfen, was ihr heute hilft allein klar zu kommen. Natrülich ist ihr Grad an Behinderung nicht so deutlich, nicht so stark - das macht es im Außen für sie leichter - aber wie es in ihr aussehen mag, können wir nur vermuten.

Jetzt müssen wir ihr erklären, das wir den Rest der Familie eingeweiht haben, davor fürchte ich mich ein bisschen, das gebe ich zu und ansonsten warten wir auf die Diagnose (ich verstehe jetzt besser, das sie nirgends anders hin möchte - nachdem was Dr. Peter erlebt hat umso mehr) und lernen eben alle damit umzugehen. Oder so....

Mal sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Meine eigene Sicherheit, das sie betroffen ist, ist sehr viel deutlicher geworden und von daher gehe ich jetzt mal davon aus (auch ohne Diagnose) das es so ist. Das ist schon mal erleichtend. Erleichtend ist auch das meine liebe Christiane gesagt hat "egal was da ist, sie muss sich an Eure Familienregeln halten" - sprich wer schreit darf auch gehen...... wir müssen das nicht aushalten oder dulden. Aber uns an den Gedanken gewöhnen, das sie so, wie sie ist, okay ist. Das ihre Wahrnehmung nicht besser oder schlechter, sondern nur anders ist. Und sie muss lernen, das wir ebenso sind. Und natürlich, unabhängig von allem, sie ist und bleibt meine liebste große Tochter.

Euch liebe und auch traurige Grüße
Ansa
Sei zärtlich mit den Kindern, mitfühlend mit den Alten, nimm Anteil an denen, die sich anstrengen, sei sanftmütig mit den Schwachen und geduldig mit den Starken; denn eines Tages wirst Du dies alles gewesen sein. (nach C.W. Carver)
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Re: Ich bin so unglücklich........

Beitrag von Tamara22 »

Liebe liebe Ansa,
ich spüre wie sehr du deine Große liebst und da sehe ich auch deine Trauer und kann sie nachempfinden.
Dass es anders ist, nicht besser oder schlechter ist finde ich eine ganz wichtige Feststellung, die euch und auch ihr helfen wird.
Die Wertung rausnehmen macht es leichter. Ja sie ist anders und sie ist ein Mensch wie du und ich, mit Ecken und Kanten, genauso wie du und ich, nur dass ihre eben anders aussehen als deine und meine ;-)
Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist, diesen Schritt es in die Familie zu geben zu erklären und du Sorge hast wie sie es auffasst. Ich spüre auch, dass du darum weißt, dass es ein wichtiger Schritt FÜR die Familie war und da gehört sie ja auch dazu und somit ist das nicht gegen sie gerichtet. Vielleicht kann sie das so nicht verstehen, ihr könnt das innerlich aber präsent haben, damit ihr da klar sein könnt. Und das kannst du, das weiß ich :)
Ich mag dir ganz viel Kraft rüberschicken, soviel wie eben bei mir geht. Ich denke ihr werdet sie brauchen immer wieder und es wird auch immer wieder Momente des Loslassens geben, in denen es leicht ist und ihr auch mal kraft-los sein dürft, eben so wie das Leben ist.
Schön, dass du das mit uns teils, diesen kleinen Teil deines/eures Lebens, das so bunt und auch ein bischen anders ist und damit etwas ganz Besonderes.

Von Herzen alles Liebe für dich und deine Familie
Tami
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