Vergebung

Hier finden Sie alle Themen, die in kein anderes Forum passen.
Volker
Inventar
Inventar
Beiträge: 1059
Registriert: 3. Mai 2003 21:55
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Vergebung

Beitrag von Volker »

Hallo ihr Leserinnen und Leser, Schreiberinnen und Schreiber,

bei aller Problematik und Komplexität unserer Zeit und der Bezüge in denen wir leben, bei aller Fassungslosigkeit, Ärger und Frust und Entrüstung und Hilflosigkeit anbetracht der manchmal aussichtslosen Verhaltensweisen der Mitmenschen, die wir nicht erreichen und es doch oft so sehr wünschen, dass wir dies tun können.

ich bin mir sicher, dass "Vergebung" oft ein Schlüssel sein könnte für aussichtslose Beziehungskonstellationen und dass es leider oft so ist, dass es so furchtbar schwer fällt, aufrichtig und ehrlich sich und anderen zu "vergeben".

Ich möchte hier einfach einen Raum eröffnen in dem Erfahrungen aller Art mit "Vergebung" Platz haben sollen.

Liebe Grüße
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
Girl-Soccer
Moderator
Moderator
Beiträge: 441
Registriert: 11. Januar 2008 21:46

Re: Vergebung

Beitrag von Girl-Soccer »

hey

nur ganz kurz.

ich finde vergebung auch ziemlich wichtig.
aber.
für mich heißt vergeben, dass es dem anderen auch leid tut.
ich kann jedem vergeben, wenn es ihm nur leid tut.
aber ohne fällt es oft total schwer oder geht einfach nicht.
da hilft mir dann nur noch vergessen

grüßle von einer girl-soccer, die gerade an so einige personen gedacht hat...
Benutzeravatar
Gerda
Moderator
Moderator
Beiträge: 3315
Registriert: 7. Juni 2005 22:06

Re: Vergebung

Beitrag von Gerda »

Danke, Volker, für das schöne Thema. Vielleicht magst du ja auch mal dazu schreiben, was dich dazu bewegt und was du für Erfahrungen gemacht hast.

Ich habe viele Erfahrungen mit Vergebung gemacht. Als ich Kind war, galt es als eine ganz wichtige, unverhandelbar einzuhaltende Geste, wenn man sich gestritten hat, sich danach wieder "die Hand zu geben", was ein Synonym für Vergebung war. Das fühle ich ganz tief in mir verankert.

Im Laufe meines Lebens sind mir aber immer wieder Menschen begegnet, die dies nicht so wollten oder so fühlten, allen voran mein Exmann. Meine Hand hat er nie genommen, sondern ist in Hass, Verachtung und Schuldzuweisung mir gegenüber stecken geblieben, und darin steckt er schon seit mehr als 15 Jahren. Es ist mir unglaublich schwer gefallen, Frieden damit zu finden ohne gemeinsam Frieden zu schließen. Im Laufe der Geschichte damit bin ich dahin gekommen, dass es ganz wichtig war, mir selbst zu vergeben, dass die Ehe gescheitert ist und alles zu vergeben, was ich als meinen Anteil fühlte.

Mir geht es auch ähnlich, wie Girl-Soccer, dass es für mich zur wirksamen Vergebung einen Prozess innerhalb einer zwischenmenschlichen Beziehung braucht. MIt wirksamer Vergebung meine ich ein zwischenmenschliches Geschehen, das dazu führt, dass die Beziehung wieder "in Ordnung kommt", d. h. , dass das Unrecht oder die Unachtsamkeit, die mich verletzte, sich wandelt zu einer Erinnerung, die keine Rolle mehr spielt oder die sogar zu Verbundenheit geführt hat. In dem zwischenmenschlichen Geschehen ist es notwendig, dass mein Gegenüber sieht, mitfühlt und ernst nimmt, was er mir zugefügt hat und auch, dass er sich davon berühren läßt und es ihm leid tut und er das auch ausdrückt. Und dass er die Verantwortung dafür übernimmt, wenn sein Verhalten Konsequenzen für mich hatte und u. U. einen Schaden wieder gut macht, der für mich entstanden ist.

Mir fällt noch viel dazu ein, vielleicht schreib ich später noch mal.

LG
Gerda
"Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte, und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“

Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst.
Benutzeravatar
Ansa
Inventar
Inventar
Beiträge: 2601
Registriert: 14. August 2006 11:52

Re: Vergebung

Beitrag von Ansa »

Hallo Volker,

Vergebung ist für mich ein ganz wichtiger Teil meines Lebens. Aber, wenn ich genauer darüber nachdenke, dann ist Vergebung eine aktive Handlung, die beide Seiten betrifft.

Vergebung und Verzeihen wird immer wieder gefordert, von Therapeuten ebenso wie von Eltern, Lehrern, Pädagogen..... in allen Dingen, in denen der "Täter" Reue zeigt und empfindet, ist sie, meiner Ansicht nach, auch angebracht. Aber in den Fällen, in denen der "Täter" eben dies nicht tut, ist sie meiner Meinung nach ganz fatal...... indem ich nämlich jemandem vergebe, das er mir Böses angetan hat und mein Peiniger keine Reue zeigt, in diesem Moment erkläre ich mich auch damit einverstanden, das mir dies geschehen ist..... ich übernehme einen Anteil der Verantwortung des "Täters" und ich denke, das in bestimmten Fällen das schlechte Gewissen des "Opfers" sich dadurch weiter vertieft und sich im Bewusstsein ein eigenes Schuldempfinden fest setzt.

Diese Vorgang ist sehr komplex und schwer zu beschreiben. Für mich geht es bei solchen Fällen um Kindesmissshandlung, um tätliche und schwere seelische Gewalt gegenüber anderen Menschen, um Vergewaltigung...... so viele Gründe es für den "Täter" auch geben mag, ich glaube es ist richtig, einem Menschen nicht alles zu vergeben, was er getan hat. Denn mit der Vergebung beginnt für mich auch das Verstehen - und ehrlich, ich will nicht alles verstehen wollen, was mir mitunter begegnet. Ich will kein Verständnis für Eltern aufbringen, deren Hunde dick und rund sind und deren Kind verhungert ist. Da gäbe es nichts zu vergeben und nichts zu verstehen. Ich wollte einem "Täter" der meinem Kind geschadet hat, nicht verzeihen...... oder ihm gar vergeben das er es getötet hat? Never. Und wenn er darum bitten würde? Müsste er lernen, das Handlungen mitunter zu Grenzen führen, an denen er nicht vorbei kommt.

Andererseits, für sehr wichtig halte ich das Verhalten sich Selbst gegenüber. Sich selbst verzeihen ist für mich der Schlüssel zum Glück, zum Annehmen, zum Akzeptieren und zum Weitermachen. Eigenvorwürfe hemmen, so glaube ich, das erfolgreiche Leben eines Menschen viel mehr, als die Gefühle, die andere ihm entgegen bringen. Das ist immer ein Punkt, an dem ich arbeite, bei meinen Kindern und bei mir, die Dinge die ich getan habe, auch wenn ich sie im Nachhinein nicht positiv bewerte, mir selbst zu verzeihen, weil ich vielleicht nicht anders handeln konnte - und mir erst durch den Vorfall eine Strategie für ein eventuelles nächstes Mal erarbeiten konnte. Erfahrungen sind Fehler die wir gemacht haben, sagte mir mal jemand - und man lernt nur aus ihnen wenn man sie annimmt. Von daher glaube ich das Vergebung sich Selbst gegenüber viel wichtiger ist, als anderen Menschen gegenüber.

Und mal ehrlich - wenn wir uns die Kinder ansehen, die in ihrer moralischen Entwicklung noch einfacher denken, wenn da einer dem anderen etwas weg nimmt (bewusst und mit Absicht) und der andere ihm einen vor`s Bein tritt (bewusst und mit Absicht), dann nutzt eine der vielen erzwungenen Entschuldigungen und "Sag jetzt das es Dir leid tut" gar nichts...... Entschuldigungen müssen aus einem selbst kommen und das können sie nur, wenn Einsicht erlernt werden kann, Einsicht und Empathie. Aber wir treffen viel häufiger Kinder, bei denen der Wunsch und die Forderung der Eltern "Nun entschuldige Dich mal fein" zu einem beiläufigen "ach ja, was ich noch sagen wollte, tut mir leid" führt, das in keiner Weise auch so gemeint ist und was am Ende zu einer eigenen moralischen Ansicht führt, die wir gesellschaftlich nicht wirklich wollen.

Viel wird über die Motive geschrieben, warum einer was getan hat - ich gebe zu, das mir Vergeben leichter fällt, wenn ich bei meinem Gegenüber einen, für mich nachvollziehbaren, Grund erkennen kann. Aber ich sehe mich selbst da auch gefangen, in meiner Umgebung, in meiner Lebenswelt.... fehlt mir dieses Verstehen, so stehe ich vor einem "unbegreiflich".

Neben dem aktiven Vergeben ist für mich dann eher von großer Bedeutung, die Dinge die mir widerfahren sind, anzunehmen. Gut, das war damals so, aber ich, ich konnte nichts dafür - und heute sorge ich für mich selbst und achte darauf, das mir das nicht wieder passiert. Ich muss meinem Vater, zum Beispiel nicht vergeben, was er mir je alles angetan hat, aber ich darf ihn trotzdem lieb haben, bedachtsam und vorsichtig, mit Abstand..... und das ist es, was mir am Ende meinen Frieden schenkt.

Nachdenkliche Grüße
Niana
Sei zärtlich mit den Kindern, mitfühlend mit den Alten, nimm Anteil an denen, die sich anstrengen, sei sanftmütig mit den Schwachen und geduldig mit den Starken; denn eines Tages wirst Du dies alles gewesen sein. (nach C.W. Carver)
MarliJo

Re: Vergebung

Beitrag von MarliJo »

Hallo Volker,

dem Dank von Gerda für dieses Thema schließe ich mich an - es kommt sozusagen wie gerufen, weil genau DAS mich derzeit doch sehr beschäftigt. Es hängt zum einen mit der Aufarbeitung meiner Ex- Beziehung zusammen ( die Aufarbeitung sehe ich für mich als relativ abgeschlossen an), zum anderen mit dem jetzigen Verhältnis zu meiner Ex-Lg. Dieses Verhältnis ist nach meinem Empfinden (trotz ziemlicher Funkstille) eher angespannt und ich frage mich, was es ist, was eine ENtspannung nicht möglich macht. Darauf kann ich mir durchaus mir schlüssig erscheinende Antworten geben, die in der Vergangenheit begründet liegen. Ich glaube meinen Anteil und den Anteil meiner Ex-Lg. herausgefunden zu haben, die zum Scheitern unserer Beziehung und zu einer Trennung geführt hat - einer Trennung die in ihrer Art tiefere Risse hinterlassen hat, als ich geglaubt habe.

Ich habe mir und ihr diese Anteile verziehen und ich gebe zu, dass es ein großer Wunsch von mir ist, ihr dieses zu sagen und zu erklären.
Es ist geanau so, wie du es sagst, Volker, da ist der Wunsch, einem Menschen etwas mitzuteilen, aber man erreicht ihn nicht.
Auch ich sehe in der Vergebung einen Schlüssel, für einen "Neubeginn" zwischenmenschlicher Beziehung. Nur Vergebung lässt sich nicht erzwingen. Sie muß gewollt werden, von beiden Seiten.
Einer anderen Person oder sich selbst etwas zu verzeihen hat auch etwas mit Anerkennen zu tun, dem Eingestehen eines Fehlers oder einer Schwäche, und,... auch mit nachgeben. Das glaube ich macht Vergebung insbesondere nach einer Trennung so schwer.

Liebe Niana, ich möchte noch ein paar Gedanken zu den von dir erwähnten "erzwungenen Entschuldigungen bei Kindern" loswerden.
Ich sehe es etwas anders. Sicher, am besten ist es wenn die Entschuldigung aus der Einsicht heraus käme.
Möchte dazu kurz etwas erzählen.
Ich hatte heute eine befreundete Familie zum Kaffee zu Besuch. Darunter ein kleiner Mann von drei Jahren. Der verpasste meiner Tocher (5) im ritterlichen Spielrausch mit so einem leichten Plastikspielschwert einen Hieb ins Gesicht. Kleines Drama perfekt. Die Mutter des Kleinen reagierte so, wie es jede Mutter tut. >das darfst du nicht,... und du entschuldigst dich jetzt bitte bei M. !<. Das tat er auch. Und meine Tochter nahm seine Entschuldigung auch an. Sie nahmen sich kurz in Arm und alles war wieder gut- die Show konnte weitergehen.
Beide Reaktionen sind/waren sozusagen anerzogen. Von daher die Entschuldigungen nicht "echt", weil Kinder in dem Alter noch nicht reflektieren (können), was da passiert.
Und doch halte ich es für richtig, die Kinder zum Entschuldigen anzuhalten. Ich glaube, man kann Verzeihen lernen - und ich bilde mir ein, je früher diese Eigenschaft vorhanden ist, desto besser.

Wenn ich ganz genau nachdenke und hinschaue, muß ich für meine Vergangenheit auch sagen, so manches "es tut mir leid!" zur rechten Zeit, hätte vor mancher Eskalation bewahren können. 100 % Vergebung gibt es doch sowieso nicht, oder doch ?! Es geht mir eher um das rechtzeitige ! zugestehen eigener und anderer Leute "Unzulänglichkeiten". Sprich, bevor überhaupt kein Weg des Vergebens und der Verständigung mehr möglich ist.

Lieben Gruß
MarliJo
Tamara22
Moderator
Moderator
Beiträge: 1509
Registriert: 5. Oktober 2004 12:57
Wohnort: Frankfurt

Re: Vergebung

Beitrag von Tamara22 »

Hallo lieber Volker und ihr anderen,

das kommt grade recht um mein noch nicht ganz ausgeschlafenes Gemüt zu wecken. Ich habe mal gestöbert und schicke hier ein paar "offizielle" Ideen zu Vergebung rein:

Neues Testament: Jesus sprach:" Vater vergib ihnen denn sie wissen nicht, was sie tun." Gemeint sind die Kreuziger von Jesus. Beeindruckende Szene finde ich und enthält einen für mich wichtigen Schlüssel. Verletzung geschicht häufig durch Unwissen und Unwissen macht es unmöglich Verantwortung zu übernehmen, was damit auch eine Ent-schuldigung (meint Etnschuldung) einer Tat unmöglich macht. Vergebung findet aber für mich auf einer anderen Ebene ab, sie wächst im Inneren und ist unabhängig vom Aussen. Sie wird nicht von äusseren Umständen gemacht, sondern kann nur durch mich selbst entstehen. Will ich nicht vergeben, werde ich es nicht...

Hat also viel mit dem eigene Willen zu tun.

Ghandi sagt dazu, dass eine abhängige Person demnach nicht verzeihen kann, weil sie zwangsmäßig handelt. Passt ein bischen zu dem Thema wie lernen Kinder verzeihen...

Ich glaube aber, dass Verzeihen und vergeben verschieden sind. Verzeihen kann ich aktiv tun, ich kann die Verbindung zum Anderen wieder aufnehmen und er zu mir. Das kann ich bei Kindern auch unterstützen, Wege zeigen, wie Verbindung gelebt werden kann. Vergeben zieht nicht zwangsläufig eine HAndlung nach sich, viel mehr macht sie platz im Inneren für Liebe die wieder fließt.

Habe eben gelesen, dass das Phänomen auch untersucht wurde und da kam raus, dass es um intensive innere Selbstgespräche geht, die eine Verletzung aufarbeiten.

Immer wenn ich abend im Bett liege und an die Menschen denke, die mir wichtig sind und darum bitte, dass eine schützende Hand auf sie Acht gibt, dann bitte ich darum auch für alle die Menschen, für die das keiner tut. Das ist wie mein abendliches Mantra, das mir Ruhe gibt. Ich weiß nicht wen ich darin mit einschliesse und so Fragen wie "hat so jemand das verdient" würden bestimmt kommen, wenn es mal diskutiert würde. Aber ein innerer Teil in mir, der der nach Frieden und Liebe sehnt und strebt, der braucht genau das. Ich glaube dass es mit Vergebung zu tun hat und dass dieses Sehnen in vielen oder vielleicht sogar jedem lebt. Eins sein mit allem und im Frieden...


Im Fazit hat es für mich mit Frieden zu tun, innerem ohne den der äussere nicht möglich ist. Mit der Freiheit sich dafür zu entscheiden und der Fähigkeit beidem Platz zu machen. Und der Idee, dass alle Menschen (vor Gott) gleich-wertig sind.
Tami
Change it, love it or leave it.
FSapiatz
Forumsexperte
Forumsexperte
Beiträge: 956
Registriert: 16. Juni 2006 14:18
Wohnort: Hauptstadt :D

Re: Vergebung

Beitrag von FSapiatz »

Lieber Volker, hallo, Ihr Lieben!

In dieser Runde möchte ich nicht fehlen – danke Volker für dieses Thema.

Beim ersten Lesen (heute morgen, bevor ich die Firma aufgemacht habe) merkte ich, dass mir an diesem Thema etwas unangenehm ist.

Warum?

Darüber denke ich jetzt beständig nach. Ich werde jetzt und hier noch keine Antwort finden, daher ein anderer Ansatz. Ich habe mir Gedanken gemacht und Begriffe und Anschaulichkeiten gesucht, die mir bei >Vergebung< einfallen.

Vergebung – Versöhnung – Schuld – Ent-Schuld-igung, - Feigheit? – innere Größe?– „Auge um Auge...“ – „schlägt man Dich, so halte auch die andere Wange hin...“ - ... .

Jedes ein eigen Ding, über das man getrennt schon viel sagen könnte!
Ich „jongliere“ jetzt mit all diesen Dingen und versuche, sie in die richtige (was ist richtig?!) Konstellation zueinander zu bringen und mit den entsprechenden Inhalten zu füllen.

Ich melde mich wieder, bis dahin wünsche ich uns allen einen regen Austausch, grüße Euch alle ganz lieb und verbleibe


Frank
rita
Schnelltipper
Schnelltipper
Beiträge: 111
Registriert: 7. Juni 2007 15:47

Re: Vergebung

Beitrag von rita »

Hallo an alle,

ich denke, dieses Theman läßt sich überhaupt nicht pauschalisieren....JEDER, aber auch jeder einzelne von uns geht mit Enttäuschung, Verletzung und Vergebung anders um !

Wie Frank schon sagte, der eine vergibt, der andere rächt sich....jeder so, wie ihm ist ( ist das anerzogen, abgeschaut, sind das die Gene ? Wie auch immer !)

So, wie jeder anders handelt, kommt es auch bei jedem anders an. Der eine weiß, ob er mit seinem Tun einen anderen verletzt, der andere weiß es nicht. Der eine ist supereingeschnappt, der andere sieht darüber hinweg.

Was ich sagen will-es gibt kein Patentrezept, wie ich anderen begegne-ich begegne ihnen so, wie ich bin- ICH füge einem anderen das nicht zu, was ich selber auch nicht will, mußte aber schon oft genug einstecken. Es ist die einzelne Konstellation, die es macht und wie man dann handelt.

Was ich jedoch sehr wichtig finde: wenn ich etwas tue und merke, es verletzt den anderen, dann entschuldige ich mich, weil es der Respekt zu diesem Menschen oder zu Menschen überhaupt mir abverlangt.
Ich vergebe, wenn sich jemand aufrichtig für eine Verletzung entschuldigt oder gar Reue zeigt, aber auch, wenn ich weiß, daß der andere anders ist und einfach nur SEIN Leben lebt, weil er vielleicht unglücklich ist, was u.U. bedeutet, daß er einem anderen Menschen wehtun muß ( siehe Trennungen ), was aber nicht bedeutet, daß diese Verletzungen nun jahrelang anhalten.

Je größer die Verletzung bei mir ist, umso weniger bin ich bereit, dem anderen zu vergeben.

LG, Rita
Volker
Inventar
Inventar
Beiträge: 1059
Registriert: 3. Mai 2003 21:55
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Vergebung

Beitrag von Volker »

Hallo Ihr Lieben,

damit hätte ich jetzt nicht gerechnet, dass ihr so engagiert, einfühlsam und lebendig dieses Thema aufnehmt und mit euren Erfahrungen füllt. Wie facettenreich und vielschichtig diese Idee der "Vergebung" ist, zeigen eure Beiträge ganz deutlich. Ich bin tief berührt von der Offenheit und der Aktualität die in euren Beiträgen spürbar wird.
Ich habe in dieser Woche leider nur ganz ganz wenig Zeit (und bin auch gerade auf dem Sprung ...) so dass meine Gedanken erst etwas verzögert einfließen werden. Bis dahin seid lieb gedrückt und ich bin gespannt, was euch vielleicht in der Zwischenzeit noch so alles einfällt.

Ein Gedanke soll am Ende stehen: Vergeben kann ich einem anderen wohl erst dann, wenn ich die gleichen Anteile, die mich verletzt und beschädigt haben in mir selbst gefunden habe und ihnen einen Platz einräume. Erst aus dieser Haltung kann wahres Mitgefühl entstehen und dadurch Liebe...
Ich erwarte bereits Protest für diese Position, deshalb hänge ich hintendran: Vergebung bedeutet nicht, sich alles gefallen zu lassen und Schaden hinzunehmen, gar "Danke" dafür zu sagen was einem angetan wird. Nein, im Kern sehe ich es so geht es darum mit sich in Kontakt zu bleiben und aus einer Liebes- oder selbstliebenden Schwingung heraus zu handeln und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Zu dem gehört es die Wertschätzung für die Person 100%ig aufrechtzuerhalten, auch wenn ich das schädigende Verhalten klar benenne und die entsprechenden Konsequenzen ziehe....

Bis bald
euer
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
Benutzeravatar
Gerda
Moderator
Moderator
Beiträge: 3315
Registriert: 7. Juni 2005 22:06

Re: Vergebung

Beitrag von Gerda »

Hallo Volker, hallo Ihr Lieben,

nein, ich fühle keinen Protest. Ich finde es richtig, was du schreibst:
Volker hat geschrieben:Ein Gedanke soll am Ende stehen: Vergeben kann ich einem anderen wohl erst dann, wenn ich die gleichen Anteile, die mich verletzt und beschädigt haben in mir selbst gefunden habe und ihnen einen Platz einräume. Erst aus dieser Haltung kann wahres Mitgefühl entstehen und dadurch Liebe...
Ich habe es auch schon so erfahren, dass wahres Mitgefühl und Liebe entstehen, wenn ich in mir fühlen kann, dass die Samen für das schmerzhafte Verhalten des anderen auch in mir sind. Und auch, dass es möglich ist, in der hundertprozentigen Wertschätzung zu bleiben, obwohl mir jemand sehr weg getan hat. Als junge Frau habe ich die Wertschätzung verloren, wenn mir jemand weh getan hat. Das Abwerten oder Verachten des Menschen war der Umgang, den ich gelernt hatte. Die WErtschätzung eines Menschen, der mir weh getan hat, habe ich erst später gelernt, sehr mühsam, aber doch einem inneren Wissen folgend, dass das so "gehört".

So geht es mir im Moment mit meinem Sohn. Ich bleibe in der Wertschätzung, in der Liebe und im Mitgefühl, auch wenn ich das, wie er sich mir gegenüber verhält, nicht billige. Aber ich war selber lange genug "Kind", auch erwachsenes "Kind" und habe selber die Schmerzen und Irrungen und Wirrungen durchgemacht, um erwachsen zu werden, mache sie auch heute immer noch durch, ab und zu. Ich weiß, von welchen Gefühlen man geschüttelt sein kann und wie schwer es ist oder sein kann, sich von einer Mutter zu lösen. Deshalb, weil ich das weiß und verstehe, gibt es tief im Innern auch Vergebung.

Sie gibt mir Frieden und unterstützt die selbstliebende Schwingung - eine sehr schöne Formulierung finde ich das übrigens. Aber es ist ein Prozess enormer innerer Arbeit für mich gewesen, dorthin zu kommen - in Liebe, Selbstliebe, Mitgefühl und Frieden zu sein UND klare Grenzen zu ziehen und deutlich zu machen, dass ich das Verhalten nicht billige. Aber es geht mir gut damit. Und ich merke auch, dass der Frieden in mir und das Gefühl, ich kann mir selbst in die Augen gucken und meine eigene Selbst-Wertschätzung mir wichtiger sind, als das Kämpfen um Geld und den Streit zu "gewinnen", und damit bin ich auf eine tiefe Weise zufrieden mit allem, vor allem mit mir ,) . Heute. ,)

Lg
Gerda
"Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte, und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“

Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst.
Tamara22
Moderator
Moderator
Beiträge: 1509
Registriert: 5. Oktober 2004 12:57
Wohnort: Frankfurt

Re: Vergebung

Beitrag von Tamara22 »

Guten Morgen,

ich finde es interssant, dass du, lieber Volker, das Wort Wertschätzung mit einbringst. Ich nehme es mal auseinander, du weißt ja dass ich das gerne tue ;-)
Ich schätze den Wert, kann meinen "ich halte etwas für wichtig und wert-voll" oder kann missverständlich interpretiert werden, "ich schätze den Wert von etwas gering oder niedrig ein"...Ich glaube sinnbildlich kann das für die zwei Anteile in einem selbst stehen, die miteinander im Kampf stehen.
Ich glaube wenn der Wert von etwas als Maßstab missverstanden wird, dann entsteht ein UNgleichgewicht. Das hieße etwas oder jemand kannd as Leben in seinem Wert bestimmt und dann kommen wir genau dahin wovor wir uns zutiefst fürchten sollten...

Aber ich schweife ab. Das ging in meine Richtung, als ich schrieb die Menschen sind gleich-wertig. Auf der Wesensebene, dort wo wir Liebe sind. Ich glaube wenn wir uns daran erinnern, dann kann Vergebung geschehen, dann geht es nicht mehr nur um die Oberfläche, um das Verhalten, dann blicken wir tiefer und erkennen, dass wir auf einer Ebene gleich-wert-voll sind. Hat das mit deinen Gedanken etwas gemeinsam?

Ja und da gebe ich dir recht, es heißt nicht mit dem Verhalten einverstanden zu sein. Und es heißt nicht tun und lassen zu können, was man will. Aber es heißt, dass wir vergeben können und uns vergeben werden kann. Ein schöner Gedanke...

Wäre toll das zu 100% ins Leben zu bringen, glaube das ist manchmal ganz schön schwer...

Tami
Change it, love it or leave it.
Volker
Inventar
Inventar
Beiträge: 1059
Registriert: 3. Mai 2003 21:55
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Vergebung

Beitrag von Volker »

Hallo Girl-Soccer,

da sind ja so viele Aspekte drin,

...
"vergeben, wenn es dem anderen auch leid tut" ... mhhh, ich weiß nicht, wenn Vergebung davon abhinge, was eine andere Person tut, einsieht oder sich eingesteht, dann wäre das ja irgendwie abhängig, wie du es ja auch benennst girl -soccer...
Ich behaupte, mal Vergebung muss vom Verhalten des Anderen unabhängig sein, ansonsten ist die Idee der Vergebung in sich hinfällig...

Wenn eine Person erkennt, was sie anrichten kann und das mitteilt, dann kann ich ihr das verzeihen...
Vergeben ist, glaube ich ein Prozess innerer Freiheit und Unabhängigkeit.
Platt gesagt: Wer vergeben kann, der kann auch "loslassen"
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
Volker
Inventar
Inventar
Beiträge: 1059
Registriert: 3. Mai 2003 21:55
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Vergebung

Beitrag von Volker »

Hallo Gerda,

für deine Antworten und Anregungen hab vielen Dank. Mit deinem Sohn, ich weiß, dass es da ganz schön unfaßbar ist ...
Ich möchte Dir nur soviel mitgeben: Ich bin der festen Überzeugung (auch wenn wir uns ja gar nicht 'wirklich' kennen'), dass du eine tolle und liebevolle Mutter warst und bist. Dein Sohn verhält sich sehr "unreif" in meinen Augen. Er liebt dich glaube ich über alles, nur "weiß" er nicht, wie er sich "frei" von Dir zu einer reiferen Form der Liebe dir gegenüber entwickeln soll. Für mich scheint es so, als wäre er psychisch noch total abhängig von Dir, jede Gelegenheit nutzt er zur Abgrenzung. Wäre er innerlich frei, bräuchte er diese ganzen Inszenierungen nicht ...

Zu deinem Exmann auch nur ganz kurz: Wer eine tiefe, selbstlose Liebe als Kind nie kennen gelernt hat, der bleibt sein Leben lang misstrauisch und steht sich selbst im Weg. Wir lieben diese Menschen zwar, doch können sie uns nicht trauen. Das ist schmerzhaft, enttäuschend und zum Verweifeln. Niemals würde dein Exmann wohl einen Anteil sehen, dass eure Ehe gescheitert ist... Ich gratuliere dir nachträglich für den Mut und die Kraft, eine solche ungleiche Beziehung aufzulösen!
In meinen Augen stellt diese Entscheidung auch ein Stück Frieden dar.... Es ist die Macht Co-abhängiger Menschen, uns ständig am Zweifeln zu halten. Diese Macht braucht kein Mensch ...
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
Volker
Inventar
Inventar
Beiträge: 1059
Registriert: 3. Mai 2003 21:55
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Vergebung

Beitrag von Volker »

Hallo Tami,

Hab Dank für die Unterscheidung von "Vergebung" und "Verzeihen"...
Das alte Bibelsprichwort "aug um aug, zahn um zahn" klingt für uns heute so als würe man Gleiches mit gleichem vergelten...
In damaliger Zeit war das aber ein Fortschritt, denn wenn mir jemand etwas gestohlen hat, dann darf ich ihn dafür nicht die Hand abhacken... das war damals revolutionär, heute klingts pedantisch und kleinkrämerlich ... Und es steckt darin, dass etwas ausgeglichen werden soll ... und das ist ein wichtiger Gedanke...

Kinder lernen schnell ... und ich bin immer wieder begeistert, wie aufmerksam mich kinder anschauen, wenn sie "gezielt" Grenzen überschreiten und einem anderen Kind was wegnehmen oder sich vordrängeln .... Sie wollen wissen wie das geht, das Vordrängeln und das "Einreihen"... das "Schubsen" und das "anbieten" ...
Und ich bin der Meinung, dass Kinder den Unterschied zwischen sozialer Maske und Triebbefriedigung schneller lernen als wirs gerne hätten, eseidenn ....

Wir lernen zu uns zu stehen ...

Und da geht es dann viel mehr um das was uns verbindet, als das was uns trennt, auch wenn es keine wirkliche Trennung gibt...
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
Volker
Inventar
Inventar
Beiträge: 1059
Registriert: 3. Mai 2003 21:55
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Vergebung

Beitrag von Volker »

Lieber Marli Jo, lieber Frank, liebe Rita,

ich schreib euch am WE was zu euren Zeilen;-)
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
Antworten