Was mit dem Vater unternehmen?

Allgemeines Scheidungskinder Forum - Dies ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe für Kinder und Eltern in allen Fragen rund um Trennung und deren Folgen.
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Nana
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Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Nana »

Hallo zusammen
Ich bin nun 24, meine Eltern haben sich vor mittlerweilen 7 Jahren getrennt und nach einem langen Scheidungskrieg mit Schlammschlacht und Co. 3 Jahre später auch scheiden lassen. Ich wohnte nach der Trennung bei meiner Mutter (war mein ausdrücklicher Wunsch) und hatte während ca 4 Jahren keinen Kontakt mehr zu meinem Vater. Danach hab ich's immer wieder versucht, immer gings so 2-3 Monate gut, dann wars einfach wieder zu viel und ich konnte nicht mehr und brach den Kontakt wieder ab. Das nur mal so grob zur Situation.

Ich habe irgendwie einfach niemanden zum reden, für Ratschläge oder auch einfach zum erzählen... Meine Mutter würde mir schon zuhören, aber ich will sie nicht mit so was weiter belasten, mein Partner hält sich da raus (ich glaub er fühlt sich etwas überfordert), da stiess ich auf dieses Forum. Ich habe bis jetzt einfach still mitgelesen, es tat so gut zu sehen, dass ich mit meinen Ängsten und Problemen nicht alleine bin.

Nun zu meinem momentanen Problem: Ich möchte gerne wieder Kontakt zu meinem Vater aufnehmen, weiss aber nicht was dann mit ihm machen. Bis jetzt haben wir uns jeweils zum Abendessen irgendwo in einem Restaurant zwischen unseren Wohnorten verabredet (ins alte Haus zurück möchte ich unter keinen Umständen und in meiner Wohnung will ich ihn auch nicht haben). Das Problem ist aber, dass es immer ausartet. Zuerst haben wir es gut, dann schneidet er ein Thema an an welchem sich unsere Geister scheiden (will ich dann nicht debattieren, bin ich unreif und kindisch), anschliessend folgt die Phase in der er sich bemitleidet, wissen will was ich ihm vorwerfen würde, dass ich ihn die ersten 4 Jahre nach der Trennung nicht sehen wollte, für was ich ihn denn "verurteile", dann folgen spitzige und verletzende Andeutungen gegen meine Mutter (wenn ich sie verteidige, gelte ich als soooo von ihr beeinflusst (ich lebe seit 4.5 Jahren allein und nicht mehr bei ihr), wenn ich schweige, dann wird das als "ja, jetzt hast du keine Argumente mehr, wusst' ich's doch" gewertet).
Er wird dann oft emotional und auch etwas laut, so dass es das halbe Restaurant mitbekommt. Ich schäme mich dann so. Er trinkt auch immer Alkohol (Wein) und brüstet sich damit, dass er siiicher noch Autofahren kann (er kommt immer mit dem Auto) oder baggert die Serviertochter an (er ist aber schon fast 80 Jahre alt und allgemein sehr ungepflegt). Ich schäme mich dann wieder für ihn.

Habt ihr einen Vorschlag, was wir sonst machen könnten am Abend? Er kann nur abends, da er bis ca 16:00 Uhr schläft und wir uns erst ab 17:00 Uhr treffen können. Ich hab schon vorgeschlagen spazieren zu gehen (will er nicht, er sei alt und sein Rücken, Knie, Fuss, etc. tut weh), an einem Weihnachtsmarkt bummeln will er auch nicht (die Konsumgesellschaft unterstütze er nicht, ausserdem sei er Atheist und wolle so einen "Christen-Scheiss" nicht), auf den Spielplatz will ich nicht (bin wirklich nicht mehr 10). Einfach einen Kaffee trinken gehen ist irgendwie auch doof, da wir beide fast 3/4 Stunden Weg haben bis wir uns in der Hälfte (sozusagen auf neutralem Boden) treffen. Es ist alles so kompliziert mit ihm... Er wirft mir vor ihn im Stich gelassen zu haben nach der Trennung, aber ich konnte doch selber nicht mehr (ehrlich gesagt war's so eine Erleichterung, so ein Gefühl von Freiheit, endlich zu gehen).

Was macht ihr, wenn ihr euren Elternteil trefft? An euch Scheidungseltern, was würdet ihr euch wünschen mit euren erwachsenen Kindern zu unternehmen?

Puh, ich hoffe das war mal nicht zu lange... Vielen Dank an alle, die bis hier durchgehalten haben, wenn ihr Fragen habt, einfach fragen, wusste gar nicht wo anfangen, habs daher einfach mal "kurz" gehalten ,)


Ganz liebe Grüsse
Nana

PS: Ich will mit meinem Vater auch unter keinen Umständen in einem dunklen Raum sein oder alleine, Kino geht also auch nicht :( Im Theater ist er das letzte mal laut schimpfend rausgelaufen, weil die Schauspieler seiner Meinung nach das Stück falsch interpretiert hätten...
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Ansa
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Ansa »

Hallo Nana,

willkommen bei uns im Forum.

Beim Lesen Deiner Geschichte ging mir ganz spontan durch den Kopf "warum willst Du diesen alten Mann treffen und wofür?" Ich lass das mal so stehen.....

Du hast ja nicht nur ein Problem bei dieser Geschichte sondern auch noch ein Generationenproblem, Dein Vater könnte, altersmässig zumindest, gut Dein Großvater sein, ist also eine Generation weiter - als es Eltern gewöhnlich sind. Mein Schwiegervater ist 77 ,) und ein ähnlich starköpfiger Typ wie Du ihn beschreibst. Auch er empfindet keinerlei Achtung und Respekt Jüngeren gegenüber, die sollen bitte gehorsam sein, hübsch aussehen und die Klappe halten - frag mich nicht, was wir uns zanken und ich bin doppelt so alt wie Du.

Aber das ist nicht das Thema, ich frag mich wirklich warum möchtest Du Kontakt? Weil Du ihn gern hast und vermisst? Weil Du Dich verantwortlich fühlst? Weil er Dir leid tut in seiner Eigenbrödlerei? Weil Du seine Vorwürfe in irgendeiner Form Dir zu eigen machst? Ich glaub, diese Frage ist durchaus wichtig.

Ich bin nämlich der Ansicht, das es die Eltern sind, die für ihre Kinder verantwortlich sind, die diese schützen sollten und die für sie da sind und keinesfalls umgekehrt. Es sei denn einer ist wirklich krank und kann allein nicht sein.

Deine Frage war ja trotzdem eine andere.... und gemeinsam etwas Essen gehen ist schon eine gute Unternehmung. Wenn meine Töchter ihren Vater treffen, dann gehen sie gemeinsam Essen, besuchen tatsächlich mal ein Kino oder gehen in den Zoo. Sie fahren gemeinsam Kanu, machen kleine Ausflüge, gehen in Ausstellungen und sind mitunter auch einfach nur mal bei ihm zu Besuch. Ihr Verhältnis zu ihm ist oft angespannt, aber durch "etwas gemeinsam tun" lockert sich das Ganze auch wieder auf. Sie haben teils öfter, teils seltener Kontakt, das liegt einfach auch daran, das sie erwachsen sind und eigene Wege gehen, ein eigenes Leben führen, wie Du und das ist gut und richtig so.

Bei solchen Männern ist es schwierig, Land zu gewinnen, weil sie es immer irgendwie schaffen, das man sich selbst nicht gut fühlt. Du als Kind darfst aber solche Gespräche abbrechen und klar stellen "Papa, darüber möchte ich mit Dir nicht reden!" Notfalls wiederholen..... ich weiß nur nicht, ob das bei Dir eine Option ist?

Meinen Töchtern sag ich immer, "wenn Du merkst, Du kannst es niemandem Recht machen, dann handle so, das es sich für Dich gut anfühlt!" Vielleicht hilft Dir das? Denn in allererster Linie musst Du Dich um Dich kümmern und dafür sorgen, das es Dir gut geht.

Liebe Grüße
Ansa
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Nana
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Nana »

hallo Ansa
Vielen Dank fürs Lesen und Antworten!

Warum ich Kontakt möchte? Tja, gaaanz schwierige Frage, stelle ich mir auch immer wieder, hab noch keine abschliessende und zufrieden stellende Antwort gefunden.
Mein Vater ist krank, er lebt in seiner eigenen Welt in der es so anders aussieht als in meiner. Er ist verletzt von der Scheidung und vom Kontaktabbruch seiner Kinder. Irgendwie möchte ich ihm helfen, ich möchte ihn verstehen. Er ist so hasserfüllt gegen meine Mutter und gegen die Verwandtschaft mütterlicherseits (eigentlich hegt er einen Groll gegen alle Menschen). Es ist mir ein Anliegen ihn nicht einfach aufgrund seines Verhaltens zu verurteilen (was ich ja lange tat, weil es eifach so weh tat). Ich möchte seine Version hören, vielleicht vergleichen, Missverständnisse finden und aus dem Weg räumen (ich hab das Gefühl das wir uns oft missverstanden haben, kleines Beispiel: Ich schrieb ihm eine SMS "Hey, hast du lust heute abend essen gehen?", er wird stinke sauer und antwortet "Ich erbitte mir etwas mehr Respekt, ich bin kein "Hey", sondern dein "Papa" oder "Herr ...". Wir haben das dann nachdem er abgekühlt war mal durchbesprochen, ich war mir nicht bewusst, dass "Hey," als Anrede ihn verletzt, er wusste nicht, dass in einem SMS Gross- und Kleinschreibung oft ignoriert wird und "hey" eine normale Anrede ist. Nur so als Beispiel.).

Ausserdem ist da noch ein egoistischerer Grund: Wie du erkannt hast ist er schon etwas älter, er hat mehrere Herzinfarkte hinter sich, raucht (trotzdem noch), trinkt nicht wenig und fährt auch betrunken Auto. Es ist möglich, dass er bald mal stirbt. Ich habe Angst, dass ich mir später (in 10, 20 Jahren) mal Vorwürfe mache, dass wir noch so viele Vorwürfe zwischen uns hatten und ich mich nicht um ihn bemüht habe als er noch lebte.

Letztendlich tut er mir auch leid in seiner Scheinwelt. In seiner "Realität" ist ihm etwas unglaublich schreckliches widerfahren mit dieser Scheidung. Er sieht sich als fürsorglicher Vater und Ernährer einer Familie, die für ihn das Wichtigste war. Dann beschliesst seine Frau, dass sie sich selbst verwirklichen wolle, hetzt die Kinder auf und führt sich als durchgedrehte Emanze auf, sucht sich einen Job. So eine musste er einfach seines Hauses verweisen. In ihrer Manie, völlig vereinnahmt von ihrem Selbstverwirklichungs-Tripp nimmt sie nicht mal sein Friedens-Angebot, wieder ins gemeinsame Haus einzuziehen an, sondern entreisst ihm die Kinder und lässt ihn im Elend sitzen.
So traurig es ist, er glaubt wirklich, dass es so war. Dass meine Mutter (und auch wir Kinder) nie raus durften, unter seiner Herrschaft litten, und irgendwann nicht mehr konnten, kann er nicht verstehen (was ja eigentlich logisch ist).
Seit da hat er immer weniger Freunde (hatte vorher schon nicht viele) und ich möchte ihm einfach ein wenig beistehen. Unter all diesen Vorwürfen, Anschuldigungen und diesem unsäglichen Leid in dem er sich suhlt und mich damit bewirft, kann ich aber oft einfach nicht mehr.

Puh, tat das gut, das mal aufzuschreiben, ich hätte mich schon viel eher hier anmelden sollen... Sorry, wenn jetzt einfach gerade alles ungeordnet raus kommt...

Das grösste Problem an unseren Diskussionen sehe ich in der Tatsache, dass er die letzten 14 Jahre Entwicklung von mir nicht wirklich mitbekommen zu haben scheint (die Ankündigung, dass ich mich (damals 16.5) in einen Jungen aus meine Gymi verliebt hatte, war die reinste Kampfansage für ihn, er wollte mich aus der Schule nehmen und schrieb mir einen 5-seitigen Brief was er davon halte, dass ich diesen Jungen eines Nachmittags nach Hause einlud zum Tee, er sei immer noch Herr des Hauses und der einzige Herr in meinem Leben. Naja, zumindest greift er mich jetzt nicht mehr an, da ich in einer Beziehung lebe...). Er gesteht mir schlicht keine eigene Meinung zu. Gefällt ihm was ich sage, bin ich ein braves Kind, gefällt's ihm nicht, wurde ich von meiner Mutter indoktriniert und er mag sich nicht mehr ihre Meinung durch meinen Mund anhören. Erkläre ich, wie ich zu dieser Meinung komme etc, winkt er abfällig ab und meint "jaja, ich weiss was meine Frau meint" (die Scheidung anerkennt er immer noch nicht, seiner Meinung nach gilt das Schuldprinzip, überhaupt darf sich eine Frau gar nicht vom Mann scheiden lassen, das geht nur umgekehrt laut ihm, alle die anderes behaupten sind Emanzen oder stehen unter dem Pantoffel einer Emanze).


Hu, das wurde jetzt aber lang, naja, betrachtet es einfach mal als Dampf ablassen...

schönen Abend wünscht nana
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Ansa
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Ansa »

Hallo Nana,

ja, jetzt verstehe ich Dich besser, bzw. ich kann nachvollziehen, was Dir durch den Kopf geht und warum das so ist.

Ich befürchte einfach nur, Dein hohes Ziel "verstehen zu wollen" wird Dir schwerlich gelingen. Durch so ein, zwei Beispiele verstehe ich besser, das er wirklich noch eine Generation weiter ist "der einzige Herr in Deinem Leben" allein die Wortwahl lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen....

Ich weiß gar nicht, ob es eine Scheinwelt ist in der er lebt? Manchmal entwickeln sich Menschen nicht gemeinsam in eine Richtung sondern auseinander..... einjeder hat seine Sichtweise, die von seiner persönlichen Geschichte, Entwicklung und Sozialisation abhängt. Deinem Vater hat man, als Beispiel, als kleinem Kind sicher eingebleut das er Frau und Kinder versorgen muss und dazu braucht es einen anständigen Beruf. Die Frauen seinerzeit waren abhängig und hatten ihrem Liebsten alles dar zu bringen, was er "verdient" hat, sie sollten zugeneigt sein. Kinder waren zu sehen, aber nicht zu hören - ich kenne das durchaus auch von meinem Schwiegervater. Der hat Streit mit mir, weil ich ihm nicht gehorche..... und das an einer Stelle, an der es einfach mal nichts zu gehorchen gibt. Seinm Sohn hat er gesagt, er könne mich nicht leiden, ich sei zu selbstständig. Mir gefällts, meinem Liebsten noch mehr. :D - Generationenproblem. Er würde das genauso sehen, Frauen haben sich nicht scheiden zu lassen, wo gibt`s denn so was? Und überhaupt, das war tatsächlich so, früher bleiben die Eheleute zusammen, die Frauen meist aus wirtschfticher Not und ich bin heilfroh, das dass heute nicht mehr so ist.

Nicht jeder ist in der Lage sich und das was ihm geschehen ist zu reflektieren.... Despotische Hausherrschaften sind in unserer Zeit einfach dem Untergang geweiht und da ist Anpassung gefragt. Ich frag mich aber, ob man von so einem alten Herrn dies noch verlangen kann oder darf? Er sieht seine Welt vermutlich einfach tatsächlich so und nichts wird ihn dazu bringen, zu verstehen, das die Zeit ihn überholt hat. Andererseits, wie würde er sich fühlen, würde er erkennen, das sein Leben eben nicht so war wie er es wahr genommen hat?

Weißt Du was ich meine?

Und solche kleinen Momente, in denen es gelingt, einander zu verstehen (dein Beispiel mit der sms) sind etwas Kostbares, bewahre die Erinnerung daran, denn das sind die Momente um die es dann am Ende geht. Ich verstehe Deine Sorge um ihn, trotzdem denke darüber nach, das Du nicht verantwortlich für ihn bist, in keiner Weise.... und wenn es Dir gut tut, triff Dich ruhig mit ihm, aber andere Orte als ein Restaurant oder Cafe fallen mit auch eher nicht ein. Vielleicht könnte man die Zeit vorher ein wenig begrenzen, damit es sich nicht zieht - nur ist das bei so langen Wegen auch nicht so einfach.

Schreib Dich ruhig aus ,) dafür sind wir ja hier.

Liebe Grüße
Ansa
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Nana
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Nana »

Hallo Ansa

Vielen Dank für deine Worte.

Jaaaa, der ewige Generationen-Konflikt... Ach, ich weiss nicht, natürlich war's früher ganz anders und man bekam andere Werte vermittelt in der Kindheit, etc. Ich sehe einfach wie gut ich mit meinen Grosseltern (sind jetzt dann bald 90, aber noch super fit und in Schuss ,) ) auskomme, sie sind für mich so etwas wie meine neuen Eltern geworden seit dem ganzen Krach (vorher durfte ich von meinem Vater aus keinen oder nur sehr wenig Kontakt mit ihnen pflegen, da ich sonst mit schlechten Einflüssen in Kontakt käme). Also nur an der Generation kann es ja auch nicht wirklich liegen... Nur so ein Gedanke von mir jetzt...

Irgendwie erwarte ich (wenn ich jetzt mal so ganz ehrlich zu mir selbst bin) von meinem Vater ja auch ein kleines bisschen, dass er meine Welt(-Ansichten) zumindest zu verstehen versucht, daher möchte ich ihn zu verstehen versuchen. Ich weiss, dass das nicht einfach ist und dass einem manchmal auch nicht gefällt, was bei so was rauskommt. Ist auch für mich schwierig... Wenn man seine Geschichte hört (und ich versuche sie neutral zu hören), dann tut er einem leid, obwohl er uns so unterdrückt und terrorisiert hat.

Als ich den Kontakt abbrach, tat ich das weil ich nicht mehr konnte, weil ich zwischen den Fronten stand, weil ich mich nicht gezielt für einen Elternteil entscheiden wollte. Ja, ich wollte mich wirklich nicht für einen entscheiden, aber sein anschliessender Terror, den Druck, den er aufbaute ("wenn du auch gehst, dann bring ich mich um, mein Leben hat dann keinen Sinn mehr", "wenn du jetzt gehst, hast du deinen Papa zum letzten Mal gesehen"), ich wollte nur noch diesen Drohungen entgehen, dieser Welle aus Verzweiflung, Wut und Irrsinn die einem entgegen schwappte. Später als ich mit meiner Mutter ausgezogen bin, kamen immer wieder Drohungen, wir hatten alle Angst. Unser Auszug war völlig überstürzt, er war für ein paar Stunden nicht zu Hause und meine Mutter ergriff die Gelegenheit und floh mit meiner Schwester (ich war jobben). Pro Kind hat sie je 2 Taschen mit Schulmaterial und Kleider mitgenommen. Meine Katze hatte ich am Abend auch noch geholt (meine kleine Schwester hatte ihre schon). Die Herausgabe unserer restlichen Dinge gestaltete sich sehr schwierig und war von Seiten meines Vaters immer mit Bedingungen gekoppelt (meistens musste man ihn besuchen).
Meine Katze war sehr ortsgebunden und Freiheit liebend (wir zogen nur ans andere Ende des Dorfes) und lief immer wieder an den alten Ort zurück. Ich holte sie wieder zurück. Irgendwann merkte ich, dass mein Vater sie des Nachts jeweils holte. Als ich ihn darauf ansprach, sagte er er wäre einsam und würde die Katze vermissen. Da ich wusste, dass meine Katze lieber am alten Ort geblieben wäre, nahm ich ihm das Versprechen ab sich gut um sie zu kümmern. Ca. 8 Monate später erhielt ich früh morgens (so gegen 3 Uhr) eine SMS "kann die Katze nicht mehr versorgen, hol sie bis in 3 Stunden ab oder ich muss sie ab tun". Ich dachte das wäre eine von seinen gewöhnlichen Drohungen. 2 Tage später bekam ich von ehemaligen Nachbarn die Nachricht, dass meine Katze im Quartier tot auf einer Gartenmauer liege. Mit ihr starb mein letztes Mitgefühl für ihn und ich brach den Kontakt ganz ab.

Aus Sicht meines Vaters entführte meine Mutter uns Kinder in seiner Abwesenheit aus dem Haus und nahm pro forma irgendwelche persönlichen Dinge mit, damit sie beweisen könne, dass sie im Interesse der Kinder gehandelt hätte. Meine Mutter wollte sich offensichtlich selbst verwirklichen und er war ihr im Weg, da er sich um uns Kinder sorgte. Über Wochen hinweg, schon bevor sie auszog, redete sie den Kindern ein, dass ihre Kindheit schlecht wäre und der Vater böse. Aus Angst vor der Mutter, verweigern die Kinder den Kontakt zum Vater. Da die Mutter aber in ihrer Ich-Bezogenheit nicht mal alle Sachen der Kinder mitnahm, fühlte er sich verpflichtet, diese den Kindern auszuhändigen. Um sie ohne die Mutter anzutreffen und ihre ehrliche Meinung hören zu können, verlangte er, dass die Kinder die Sachen alleine und persönlich abholen kommen. Offensichtlich waren sie aber so sehr eingeschüchtert, dass sie auch ohne die Präsenz der Mutter sich nicht getrauten ihre Meinung zu sagen oder sogar bei ihm zu bleiben.
Selbstmorddrohungen? Er fühlte sich von seiner ganzen Familie, die er über Jahre hinweg ernährte hintergangen und betrogen. Ihm wurde der Boden unter den Füssen weggezogen. Ja, wenn meine Kinder mir den Rücken kehren, dann ist mein Leben nicht mehr lebenswert. Das soll als Kompliment und nicht als Drohung verstanden werden.
Ein grosser Vertrauensbeweis war für ihn die Tatsache, dass die vernünftige grössere Tochter offenbar eine Flucht zurück nach Hause plant und zu diesem Zweck schon mal vorsorglich ihre heiss geliebte Katze bei ihm unterbringt. Diese nahm er natürlich gerne bei sich auf. Leider meldete sich die Tochter anschliessend nur noch sehr selten und oft nur wenn sie im Auftrag der Mutter wieder irgendwelche Dinge aus dem Haushalt wollte (die Mutter weiss natürlich, dass sie niemals auch nur etwas aus dem Haus bekommt, schliesslich ist das sein Haus und sein Inhalt und wenn ihr etwas daran liegt, dann hätte sie halt hier bleiben sollen).
Er versuchte die Tochter dann auch ein paar Mal mit dem Auto direkt von der Schule abzuholen, offensichtlich hatte sie aber zu viel Angst und zu wenig Mut und rannte immer davon. Was diese Mutter denen wohl alles schlimmes erzählt hat… Anschliessend erwirkte die Tochter auf Druck der Mutter ein Annäherungsverbot. Der Richter des Bezirks litt schon lange unter dem Pantoffel seiner Frau (das wissen doch alle im Dorf), nur deshalb konnte so ein unhaltbares Urteil ausgesprochen werden.
Ääh, was? Die Katze starb in dieser Zeit? Hat die Tochter die nicht wieder abgeholt? Wie, die lag tot in meinem Garten? Ich weiss von nichts, schau doch nicht immer in meinen Garten, der ist eh überwuchert seit meine Ex den im Stich gelassen hat. Tja, die Katze wird wohl jemand mitgenommen haben. Das SMS? Naja, ich habe auch ein Leben, kann mich doch nicht die ganze Zeit um diese Katze kümmern, dachte sie ist bei der Tochter besser aufgehoben. Ich hatte Dinge zu erledigen. Die Drohung, die Katze ab zu tun? Ach du kennst mich doch, das könnte ich nie tun, ich hätte sie einfach einem Nachbarn geschenkt wenn du sie nicht mehr gewollt hättest. Du wolltest sie nicht mehr, oder?


Vor ca. 1 Jahr fand ich im Internet einen Artikel über “verlassene Eltern/verlassende Kinder”. Darauf begann ich in Foren etwas zu stöbern und las meine Geschichte in ganz vielen verschiedenen Versionen.
Hauptthemen sind meistens Eltern, die sich keiner Schuld bewusst sind und Kinder, die irgendwann einfach nicht mehr konnten und Abstand brauchten.

Als ich mich mit der “Welt” meines Vaters auseinandersetzte, musste ich erkennen, dass er an vielen Dingen, die ich ihm vorwarf gar keine Schuld erkennen konnte, da er sie ganz anders in Erinnerung hat. Für ihn gab es das alles nie so.

Schwierig, so jemanden dann noch zu hassen, obwohl Hass doch so viel einfacher ist.


Das war jetzt alles ganz schön viel und chaotisch… Verzeiht, ich weiss noch nicht genau, wie ich diese Gefühlsflut (wenn ich sie denn mal kurz zulasse) in geordnete Bahnen lenken kann.


Ganz liebe Grüsse von einer wieder etwas befreiteren Nana
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Ansa
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Ansa »

Liebe Nana,

mit Erwartungen ist das so eine Sache..... jedenfalls hab ich mir in meinem Leben oftmals gewünscht, mein Vater oder auch mein Schweigervater würde verstehen, was mit durch den Kopf geht; hätte Interesse an dem, wie ich die Welt sehe; würde verstehen, was ich meinen Kindern vermittle und und und - eingetreten ist nichts davon...... es gab Momente in denen führte man gute Gespräche und ich glaubte oft genug wir sind auf einem guten Weg und schwupps, Momente später musste ich erkennen, das die andere Seite nichts, aber auch nichts von dem verstanden hatte, was mich bewegte.

Es blieb einfach bei einem schlichten "Du tust nicht was ich will - dann mag ich Dich auch nicht mehr gern haben!" Auch das ist für mich so eine Aussage dieser Generation. Kinder wurden und werden noch (mein Schwiegervater) geliebt, wenn sie brav sind und Folge leisten. Nun ja, ich bin nicht 50 geworden, hab mein Leben allein im Griff und bin unabhängig um zu fragen, ob der Postbote an meine Haustür kommen darf und was er sich wünscht, wenn er nicht kommen darf. Ich wünsche Dir von Herzen, das Ihr zueinander findet, aber ob das was wird? Ich bin skeptisch.

Die gute Nachricht ist für mich immer "Du darfst Deinen Vater lieben und mögen, aber das was er tut, das musst Du nicht mögen und auch nicht wollen." Trennen zwischen "ich hab meinen Vater gern" und dem was er tut, wie er handelt. Zum Glück ist man für das Verhalten anderer Menschen, insbesondere seiner Eltern nicht verantwortlich. Ich finde diesen Gedanken tröstlich.

Kleines Beispiel, als meine Schwiegermutter noch lebte, war sie bsi uns zu Besuch, ich hab drei Kinder.... sie waren damals 10, 13 und 14 und natürlich waren sie dabei und beteiligten sich am Gespräch, stellten Fragen, hatten Anliegen.... plötzlich fragte meine Schwiegermutter "Sag mal, warum redest Du denn dauernd mit Deinen Kindern? Warum beantwortest Du ihre Fragen und hörst Ihnen zu?" Ich bin sehr erschrocken, weil mir diese Frage einfach unglaublich vorkam - fragte aber zurück "wie meinst Du das, wie habt Ihr das denn gemacht?" (Sie hatten eine Patchworkfamilie mit 5 Kindern) und zu meinem Entsetzen sagte sie "Wir haben denen (?) einfach nicht geantwortet und irgendwann haben sie aufgehört mit uns zu reden und wir hatten unsere Ruhe!" Mir wurden schglagartig zwei Sachen klarer als klar, zum einen "wir müssen uns nicht über Kindererziehung unterhalten, weil wir uns nie verstehen werden" und zum anderen, ich wusste sofort, warum mein Liebster stinksauer wurde, wenn er das Gefühl hatte, er wird nicht gehört und das kommt in einer Familie mit 5 Personen um den Tisch durchaus vor. Ich verstehe auch vollkommen, warum von den 5 Kindern 3 keinerlei Kontakt mehr zu den Eltern haben......

Meine Schwiegereltern sind sich absolut keiner Schuld bewusst, ihre Kinder sind einfach böse - das Erbe des anderen Elternteils. Ich habe große Mühe das zu verstehen, würde eines meiner Kinder mit den Rücken kehren - ich würde mich immer fragen, was ich dazu beigetragen hab oder hätte.

Die gute Nachricht auch hier, Du musst niemanden hassen, Du darfst einfach nur nicht mögen, was er tut und die Person ansich, darfst gern oder lieb haben. Diese Trennung hat mich über vieles in meinem Leben gerettet.

Ich frag mich oft, was Menschen antreibt, aber, an meinen Schwiegereltern etwa - kann ich das nicht erkennen..... no way - und ich bin am Ende meiner Weisheit. Ganz ehrlich. Mittlerweile leben wir eine stille Koexistenz - mehr geht nicht. Egal was wir machen, es ist falsch, der Hund ist zu klein, das Auto zu alt, der Garten nicht schön genug, das Haus hässlich, zuviel Besuch, zuwenig Fenster, zuviel Fenster, zu oft Kinder hier - egal.... selbst der allerbeste Tee schmeckt nicht. :boxen: Mein Lieblingssatz aus vielen Jahren Erfahrung? "Schade das Du das so siehst, ich seh das anders." Lässt beide Meinungen gleichberechtigt nebeneinander stehen und sagt klar aus "Schade das DU!!!" Da gehört es hin, ich kann`s so oder so nicht lösen.

Ich für mich hab beschlossen, das ich mit meinen Kindern anders umgeh, das ich aus Erziehung Beziehung werden lasse, bis jetzt schaut es so aus, als sei mir das gelungen und wir sind alle auf einem guten Weg. Die Jüngste ist 18. Es ist Arbeit und vor allem für mich, auch hin und wieder das Eingestehen von Fehlern und das Ändern von Ansichten.

Du musst Dich nicht entschuldigen, dafür besteht kein Grund. Erzähl die Dinge ruhig, darüber reden lässt sie in Bewegung geraten und eines Tages wirst Du, vielleicht mit unserer Hilfe, Lösungen finden. Ganz persönliche Wege für Dich. Denn etwas Verändern liegt nur in Dir und Deiner Hand.

Manchmal hilft es zu wissen, wie Menschen aufgewachsen sind, was sie erlebt haben, wie sie behandelt worden sind. Mein Vater etwa, ein Kind von 8 Kindern war künstlerisch hochbegabt, tatsächlich wollte ein, damals bekannter Künstler ihn unbedingt in die Lehre nehmen und sprach bei seinem Vater vor - der verweigerte das. Sein Junge sollte was Anständiges machen, Geld verdienen, ordentlich sein, bloss kein Künstlerleben führen und liederlich werden..... mein Vater legte daraufhin alle Stifte fort und fasste sie nie wieder in seinem Leben an. Das machte ihn hart, auch gegen die Wünsche seiner Kinder..... das nahm ihm Leichtigkeit, er zeichnete zwar mal für uns Kinder aber nie mehr für sich selbst. Das wiederum lag in ihm begründet, aber es machte etwas in ihm, ich würd meinen kaputt. Vielleicht kannst Du Deinen Vater ja mal nach seinen Kindheitserinnerungen fragen und vielleicht gelingt es Dir ihn zu fragen, wie er sich damals gefühlt hat? Manchmal hilft das einem persönlich ganz schön viel weiter.

Liebe Grüße
Ansa
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Nana
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Nana »

Hallo Ansa

Sorry, dass ich so lange nicht mehr geantwortet habe, hatte viel zu tun und einiges zu überlegen.
Hab schon vor ca. einem Monat mal mit einer Antwort begonnen, irgendwie aber nie abgeschickt. Ich schick sie hier trotzdem mal mit...

Wow hey, einfach mal ein riesiges Dankeschön für alle deine ausführlichen Antworten! Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut das gerade tut.

Du nimmst mir die Worte aus dem Mund (*Zitat: es gab Momente in denen führte man gute Gespräche...). Genau so fühlt es sich an. Ich bemühe mich ihm so vieles zu erklären, dass ich jetzt mein Studium abgeschlossen haben, einen tollen Job habe der mich erfüllt, seit Jahren in einer glücklichen Partnerschaft lebe, meine eigene Wohnung neu einrichte, Abends koche, etc. - halt einfach, dass ich älter und reifer und vor allem erwachsen wurde, dass ich erreicht habe was ich wollte und darauf stolz bin. Er hört interessiert zu, nickt und fragt eine halbe Stunde später (als wir uns über Abstimmungsergebnisse unterhielten) aller ernstens "ja, darfst du denn abstimmen gehen?". Dass ich volljährig bin geht ihm immer noch nicht in den Kopf, ach ja, und Frauenstimmrecht ist laut ihm eh auch nur so eine Anwandlung emazipierter Frauen und nicht ernst zu nehmen. Das sind so die kleinen Watscheln, die man sich einfängt. Die grösseren kommen dann meistens nach 2-3 Monaten mehr oder weniger guten Kontakt in Form eines sehr hochtrabenden acht-seitigen Briefs, an die "hochverehrte Tochter" adressiert. Ich weiss mittlerweilen, dass ich mindestens ein Glas Wein und viel Ruhe brauche, bevor ich so einen öffne, damit ich nicht gleich an die Decke gehe.
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Den Teil hab ich schon vor ca einem Monat mal geschrieben, aber nie abgeschickt, irgendwie fühlte es sich nicht ganz richtig an. In letzter Zeit fühlte sich einiges nicht ganz richtig an. Ach ich schreib’s jetzt einfach mal :-)

Ich hab mich lange und immer wieder gefragt, was ich wohl für das Verhältnis zu meinem Vater noch tun könnte. Ich glaube, das war der falsche Weg. Ich habe mehrmal gelesen was ich hier geschrieben habe und was geantwortet wurde.
Ich hab das Gefühl, ich stehe vor einer Kreuzung und versuche nach links zu gehen. Aber ich stosse immer wieder auf Widerstand und Hindernisse. Und anstatt zu versuchen, die Mauern links und rechts zu durchbrechen, glaube ich, dass es das Beste ist, einfach in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Nicht an Felsen pickeln, nicht oder nur langsam vorwärts kommen, immer wieder Einstürze erleben und von neuem beginnen müssen. Ich gehe jetzt einfach mal in die andere Richtung.

Ich habe beschlossen ein Antrag auf Namensänderung auf den Ledignamen meiner Mutter zu stellen. Das wollte ich schon nach der Scheidung, als meine Mutter ihren angestammten Namen wieder annahm, damals galt bei uns in der Schweiz aber noch das alte Namensrecht, das “wichtige” Gründe verlangte. Das neue Namensrecht verlangt nur noch “achtenswerte”, dazu sollte auch das Bedürfnis der namentlichen Zugehörigkeit zur Familie (Grosseltern und Mutter in meinem Fall) gehören.

Ich weiss, für ihn wird das brutal, aber für mich eine Befreiung.
(Als ich meine Grosseltern fragte, ob das für sie auch ok wäre, haben sie sich so sehr gefreut, dass sie gleich darauf anstossen wollten und am Schluss hab ich vor Freude nur noch geweint, das tut so gut, so viel Halt zu finden in der Familie, ich kann nicht glauben, wie ich mir das 16 Jahre verbieten lassen konnte.)

Dem Antrag muss ich diverse Formulare beilegen, unter anderem auch das Scheidungsurteil meiner Eltern. Meine Mutter sah sich leider nicht im Stande, die entsprechenden Unterlagen durch zu sehen und mir auszuhändigen was ich brauchte und gab mir somit die ganzen Ordner mit. Ich hab also ein Wochenende lang alles durchgelesen. Irgendwie wars erschreckend, irgendwie tat’s gut. Erschreckend, was da alles abgelaufen ist, gut, die Worte meines Vaters und seine Ausführungen bzgl Familie zu lesen. In mir brach irgendwie das Eis etwas. Irgendwie haben diese Drohungen ala “Ich muss das jetzt nicht weiter ausführen, du weisst ja was ich meine…” an Schrecken verloren. Ich weiss jetzt was drin steht. Ich weiss was über meine Mutter steht und was über meinen Vater. Muss keine Angst mehr haben “dass da dann schon noch was rauskommt über sie”.

Seit ich für mich diese Entscheidung der Abgrenzung getroffen habe, scheint es mir einfacher, leichter.

Meine Mutter wohnt auch weit weg, wir sehen uns nur so alle 3 Monate mal einen Abend lang, aber trotzdem haben wir einen sehr guten Kontakt. Da fiel mir auf, dass ich mit ihr halt viel telefoniere, bei meinem Vater ist mir das gar nie in den Sinn gekommen. Ihm telefoniert man nicht “mal so spontan”. Ihm schreibt man formelle Briefe. Tja, hab ihn dann mal spontan angerufen. Hat aber niemand abgenommen. Nach 3-4 mal probieren, gab ich’s dann wieder auf. Weiss auch gar nicht so recht, ob das überhaupt in Ordnung ist, ihn einfach so aus heiterem Himmel anzurufen. Hab noch nie wirklich mit ihm telefoniert. Was meinst du/ meint ihr? Will nicht in seine Privatsphäre eindringen. Allerdings kann’s auch sein, dass er das Telefon einfach nicht gehört hat… Warum er dann aber nicht zurückgerufen hat weiss ich nicht. Vielleicht sein Stolz…
Hab irgendwie gehofft, dass ich mittels telefonieren das Dilemma etwas entschärfen könnte, bzgl was ich mit ihm denn unternehmen soll…

Hab beschlossen, hier immer mal wieder etwas zu schreiben, auch für mich, und eine andere Perspektive tut immer gut. Auf jeden Fall vielen Dank fürs Lesen :-)

Grüsse

Nana
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Ansa »

Liebe Nana,

nun hab ich einige Zeit über das Nachdenken müssen, was Du geschrieben hast. Entschuldige, wenn Du warten musstest. Ich glaube, Du hast eine ganz wichtige und weitreichende Entscheidung getroffen, Du lässt erkennen, das es sich für Dich gut anfühlt - und dann war diese Entscheidung auch gut und richtig. Du bist auf dem Weg, Dich frei zu machen, mit einem ganz großen Schritt.

Man kann mitunter nicht viel tun, wenn Menschen nicht wollen.... und er will nur, nach seinen eigenen Regeln. Du weißt genug über das Leben, um zu wissen - so funktioniert es einfach nicht. Leben ist geben und nehmen, ist miteinander und miteinander bedeutet eben nicht, sich zu beugen und zu tun, was der andere will ohne jeglichen Kompromiss. Mir scheint durchaus, er lebt in einer anderen Welt.

Am Ende geht es auch darum, Dein Leben zu leben, eigene Wege zu gehen. Du willst ihn teilhaben lassen und das ist etwas Wunderbares. Vielleicht,. schreibst Du ihm Briefe? So kleine Berichte, was Du tust, was Du vorhast und eben auch mal, "heute hab ich an Dich gedacht....." Auch so kann man Beziehungen führen. Bisserl altmodisch vielleicht, aber wenn er es so mag?

Fühl Dich hier willkommen, auch nur von Zeit zu Zeit.

Alles Gute
Ansa
Sei zärtlich mit den Kindern, mitfühlend mit den Alten, nimm Anteil an denen, die sich anstrengen, sei sanftmütig mit den Schwachen und geduldig mit den Starken; denn eines Tages wirst Du dies alles gewesen sein. (nach C.W. Carver)
Nana
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Nana »

Hier bin ich wieder…

Seit rund 2 Wochen bin ich nun stolze Trägerin des Ledignamens meiner Mutter :kopftanz: . Die Zeit der Selbstvorwürfe, Zweifel, dann wieder Freudensprünge und Euphorie hab ich jetzt auch durch.
Ich weiss nicht ob jemand den Film “Tangled” (auf Deutsch hiess der glaub “Rapunzel neu verföhnt) kennt. Super Film! Auf jeden Fall gibts da eine Szene ziemlich am Anfang als Rapunzel zum ersten Mal ihren Turm verlässt. Erst rennt sie jauchzend umher und freut sich über die Freiheit, gleich darauf weint sie und macht sich Vorwürfe, da sie Mutter nicht gehorchte, dann wieder findet sie es super, endlich getan zu haben, was sie schon so lange wollte, etc. Tja, ich fühlte mich gerade in etwa so. Einerseits so glücklich und euphorisch ES endlich getan zu haben, anderseits schlecht, da es sich manchmal anfühlte, als hätte ich nach jemandem getreten, der schon lange am Boden lag. Ich fragte mich oft, ob es moralisch vertretbar sei, jemandem Leid zuzufügen, nur damit ich glücklich werde. Summa summarum: in diesem Fall JA!

Ich glaube er weiss es noch nicht. Das Gericht hat ihn jedenfalls nicht informiert, da es kein Rekursrecht gebe… Werde mich glaub nochmals mit ihm treffen. Also wenn er das will natürlich nur. Fühl mich jetzt viel freier, losgelöster von dem ganzen Kampf.

Weiss noch gar nicht ob ich es ihm sagen soll überhaupt… Und falls ja, wie. Einerseits wäre es irgendwie fair, ich hab’s durchgezogen, wusste dass das für ihn nicht schön wird, jetzt sollte ich auch den Schneid haben es ihm persönlich zu sagen. Anderseits wenn ich’s ihm bei einem Treffen sage, kann das für ihn ja auch unangenehm sein. Kann gut sein, dass er ausrastet oder weint oder so. Will ihn ja nicht bloss stellen.
Hab mir auch überlegt es im Voraus per SMS zu schreiben, so dass er Zeit hat, es zu verarbeiten und dann selber entscheiden kann, ob er mich noch sehen möchte (könnte es auch verstehen wenn er mich gar nicht mehr sehen will jetzt). Anderseits find ich das ist - wie z.B. auch Schluss machen - nichts, was man per SMS mitteilen sollte.
Die dritte Möglichkeit wäre einen Brief zu schreiben. Da wird er aber nur wütend… (Hab ihm nämlich zum Geburtstag seinen Lieblingskuchen gebacken, schön verziert, erst in Geschenkpapier verpackt (mit Karte und allem) und dann in ein Paket und es per Express am Morgen seines Geburtstags vor die Tür zustellen lassen (nicht die feine Art, ich weiss, aber er hat an Weihnachten Geburtstag und ich wollte mir diesen Tag nicht versauen lassen indem ich ihn sehe und mit ihm streite). Naja, hab dann 2 Tage später auf Nachfrage, ob er den Kuchen bekommen hätte, ein Mail erhalten, scheinbar hätte ich den Kuchen mit viel Aufwand selbst gebacken, aber er könne den nicht essen, da er erstens zu gross sei und zweitens sein Magen das nicht mitmachen würde. Ausserdem sei es doof gewesen, dass das Paket vor seiner Tür lag (er hat keinen Briefkasten mehr) und er morgens beinahe draufgetreten wäre. Nicht mal ein Danke.)

Was meint ihr? Soll ich es ihm sagen? Wenn ja, wie? Meiner Mutter hab ich ein Foto meiner neuen Identitätskarte geschickt, bei ihm kann ich das aber irgendwie nicht…

@Ansa: Das mit den Briefen hab ich versucht, hab aber leider nie einen abgeschickt. Ich nah mir vor, einfach zu schreiben was in der letzten Woche bei mir so lief, nicht lange, nur so ca eine halbe Seite Handschrift. Bei Durchlesen hab ich dann immer wieder Erklärungen angefügt, da er ja eigentlich nichts aus meinem Leben weiss. Er kennt ja nicht mal meinen Partner, mein Arbeitsgebiet, meine Freunde, meine Hobbies, etc. So wurden die Briefe immer ellen lang und am Schluss dann auch immer zu persönlich. So wanderte einer nach dem anderen in den Papierkorb.
Die Idee hat mir an sich aber super gefallen...

Vielen Dank für die Antworten und ganz liebe Grüsse an alle!

Nana
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Ansa
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Re: Was mit dem Vater unternehmen?

Beitrag von Ansa »

Hallo Nana,

ja, so klingst Du, fröhlich, heiter gelöst..... irgendwie total befreit.... das ist auch ein Zeichen dafür, dass das die richtige Entscheidung für Dich gewesen ist. Ich sag meinen Mädchen immer, wenn es sich für Dich hinterher gut anfühlt, dann war alles richtig.

Ansonsten, weißt, Du musst es keinem sagen - nur wenn Dir danach ist. Das ist ein Thema, auf das man ja gewöhnlich nicht mehr zu sprechen kommt..... gäbe es für Dich einen Grund? Abschließend gesehen oder sonst?

Und bitte frag Dich mal in einem stillen Moment, wofür Du den Kontakt aufrecht halten möchtest, für wen oder was? Die Antwort kann ganz aufschlußreich sein und Dir vielleicht weiter helfen.

Ich wünsche Dir alles Gute
Ansa
Sei zärtlich mit den Kindern, mitfühlend mit den Alten, nimm Anteil an denen, die sich anstrengen, sei sanftmütig mit den Schwachen und geduldig mit den Starken; denn eines Tages wirst Du dies alles gewesen sein. (nach C.W. Carver)
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